Die Industriearmaturenbranche ist trotz widriger Rahmenbedingungen noch recht gut ins Jahr 2023 gestartet. So ist es der Branche gelungen, trotz der schwierigen Lage in einigen Absatzindustrien wie der Chemieindustrie ein Umsatzplus von nominal 8 Prozent zu erwirtschaften. Laut VDMA bieten Klimaschutzthemen Absatzchancen, denn die Armaturenindustrie sei gemeinsam mit der gesamten Prozesstechnik ein Enabler der Energiewende.
Erfreulich für die Armaturenbranche: Das Inlandsgeschäft kletterte um 12 Prozent, berichtet der VDMA Fachverband Armaturen. Der Auslandsumsatz nahm um 4 Prozent zu. Preisbereinigt entspricht das Umsatzwachstum von 8 Prozent jedoch einem Rückgang von 2 Prozent.
„Wie bereits im vergangenen Jahr ist das Umsatzwachstum im ersten Halbjahr 2023 zu einem großen Teil der Inflation geschuldet. Angesichts der nach wie vor eher schwachen Konjunktur in Deutschland und Europa fällt es der Branche zunehmend schwer, Kurs zu halten“, bewertet Dr. Laura Dorfer, Geschäftsführerin des VDMA Fachverbandes Armaturen, die aktuelle Lage. „In die Zukunft blicken wir optimistisch, denn grundsätzlich ist die Armaturenbranche gut aufgestellt und bietet auch für Zukunftsthemen wie den Klimaschutz die richtigen Lösungen. Aktuell machen unseren Mitgliedern aber bürokratische Hemmnisse sowie der Fachkräftemangel zu schaffen, so dass das Potenzial nicht voll ausgeschöpft werden kann.“
Es ist zu erwarten, dass sich Lieferengpässe und Inflation im Laufe des Jahres weiter abschwächen. Viele Abnehmerindustrien sind jedoch nach wie vor verunsichert und nehmen größere Investitionen nur zögerlich in Angriff. „Wir rechnen vor diesem Hintergrund mit einer Abschwächung des Wachstums im zweiten Halbjahr und kalkulieren für das Gesamtjahr 2023 nur mit einem nominalen Umsatzplus von 5 Prozent“, prognostiziert die Fachverbands-Geschäftsführerin.
Sicherheits- und Überwachungsarmaturen liegen vorn
In allen Produktgruppen wurde zwar im ersten Halbjahr ein Umsatzplus erzielt. Doch war auch hier die auf den ersten Blick erfreuliche Entwicklung inflationsgetrieben. Am besten schnitten erneut Sicherheits- und Überwachungsarmaturen mit einem nominalen Umsatzplus von 14 Prozent im In- und Ausland ab. Absperrarmaturen verbuchten ein Umsatzplus von 9 Prozent und Regelarmaturen kamen auf ein Plus von 2 Prozent. Bei Absperr- und Regelarmaturen verlief das Inlandsgeschäft besser als das Auslandsgeschäft. Nach Zahlen des VDMA liegen zwar in allen drei Bereichen die Auftragseingänge über dem Vorjahreszeitraum, es zeichnet sich aber eine Abschwächung des Wachstums im zweiten Halbjahr ab.
Exporte bleiben auf Expansionskurs
Im ersten Halbjahr 2023 waren die deutschen Armaturenhersteller laut VDMA erneut im Ausland erfolgreich unterwegs. So wurden Industriearmaturen im Wert von rund 2,6 Milliarden Euro ins Ausland exportiert. Das entspricht einem nominalen Anstieg von 9,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Real liegt das Plus lediglich bei 0,7 Prozent.
Die Ausfuhren in das wichtigste Abnehmerland China, die im vergangenen Jahr um 6,8 Prozent gesunken waren, konnten im ersten Halbjahr 2023 um 5,7 Prozent auf 296,8 Millionen Euro zulegen. Das Exportgeschäft mit dem zweitwichtigsten Handelspartner USA knüpfte an die Erfolge des Vorjahres an und kletterte erneut um kräftige 20,9 Prozent. Die Ausfuhren lagen damit bei 274,2 Millionen Euro. Die Exporte nach Frankreich zogen zeitgleich um 16,3 Prozent an. Das Land behauptete weiterhin Platz drei der wichtigsten Absatzmärkte mit einem Abnahmevolumen von 169,6 Millionen Euro. Mit einem beachtlichen Exportplus von 32,1 Prozent auf 95,0 Millionen Euro positionierte sich außerdem Tschechien wieder auf Rang 10 der wichtigsten Abnehmer.
Positive Impulse werden durch Nachhaltigkeitsthemen möglich
Während die Perspektiven des wichtigen Armaturenabnehmers Chemie vor allem in Deutschland und Europa aktuell sehr schwach ausfallen, versprechen andere Märkte bessere Absatzchancen. So gilt die Armaturenindustrie gemeinsam mit der gesamten Prozesstechnik als Enabler der Energiewende. Die Trendthemen Wasserstoff und Kreislaufwirtschaft sorgen für Bedarf an entsprechenden grünen Technologien. Daher könnte die Fokussierung der EU und der US-Regierung auf Nachhaltigkeitsthemen auch in den kommenden Jahren für die Armaturenindustrie positive Impulse bringen.
Solarbranche zu erheblichen Investitionen bereit
Eine gut fortschreitende Energiewende ermöglicht also der Armaturenbranche auch eine günstige Konjunkturprognose. Entsprechende Entschlüsse der Politik beflügeln die Erwartungen. Zum Beispiel das Solarpaket der deutschen Bundesregierung. „Unsere Unternehmen stehen bereit, erhebliche Summen in die Solarenergie zu investieren. Umso erfreulicher ist, dass das Solarpaket der Bundesregierung den Ausbau der Photovoltaik in Deutschland an vielen Stellen erleichtern wird“, erklärt Kerstin Andreae, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung (Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft). Der Solar-Ausbau verlaufe zwar positiv, aber: Um die Erneuerbaren-Ziele bis 2030 zu erreichen, müssten über 20 Gigawatt Photovoltaik pro Jahr zugebaut werden. Das bedeutet: „Der Ausbau dieser zentralen Säule der künftigen Energieversorgung Deutschlands muss im Vergleich zu 2022 mindestens verdreifacht werden.“
Solar-Paket – Verband fordert weitere Entlastungen
„Richtigerweise“ nimmt laut BDEW das Solar-Paket auch landwirtschaftliche Flächen in den Fokus, deren Böden nur geringe landwirtschaftliche Erträge ermöglichen. Es ist gut, dass Solaranlagen in solchen so genannten benachteiligten Gebieten bundesweit in die Flächenkulisse der gesetzlichen Vergütung aufgenommen werden. Die neuen Förderregelungen für besondere Solaranlagen wie Agri-PV haben laut Kerstin Andreae das Potenzial, Synergien zwischen Landwirtschaft, Naturschutz und Erneuerbaren-Ausbau zu ermöglichen. Der BDEW hatte bereits in seinem 12-Punkte-Papier zur Stärkung der Agri-PV die Errichtung eines Sondersegments für Besondere Solaranlagen gefordert. Außerdem begrüßt der BDEW jede Vereinfachung und Entbürokratisierung von Meldeverfahren. „Dies ist bislang allerdings nicht hinreichend umgesetzt. Um Bürokratieabbau und PV-Ausbau wirksam miteinander in Einklang zu bringen, sind weitere spürbare Entlastungen insbesondere für Netzbetreiber geboten.“
Die Zeit drängt aus Sicht des BDEW, denn die Herausforderungen für den Energiesektor mit Blick auf die 2030-Ziele sind enorm. Kerstin Andreae: „Die politischen Zielsetzungen sind nur erreichbar, wenn die Ausbauziele für Erneuerbaren Energien, der Zubau von wasserstofffähigen Kraftwerken, der Netzausbau sowie eine Vielzahl von weiteren Entwicklungen bis 2030 vollumfänglich erfüllt werden.“
Im Zentrum steht der Ausbau der Erneuerbaren Energien. Es gilt aus Sicht des BDEW, den Ausbau der Photovoltaik im Vergleich zu 2022 zu verdreifachen, den Ausbau der Windenergie sogar zu vervierfachen.
Staaten erhöhen ihre Solarziele deutlich
Zwölf EU-Mitgliedstaaten haben seit Ablauf der Frist im Juni ihre überarbeiteten nationalen Energie- und Klimapläne (NECP) vorgelegt. „Die aktualisierten Pläne fügen ein neues EU-Solarziel von 90 GW hinzu, sodass sich das Gesamtziel vorerst auf 425 GW Solarenergie bis 2030 beläuft“, erklärt SolarPower Europe. Im gewichteten Durchschnitt stiegen die neuen Ziele um 63 %, wobei Litauen um 500 % anstieg. Finnland, Portugal, Slowenien und Schweden haben ihre bisherigen Ziele mehr als verdoppelt, während Spanien sein Ziel um 94 % erhöhte.
Unter Berücksichtigung der aktuellsten verfügbaren Ziele haben vier EU-Länder ihr gesetztes Solarziel für 2030 bereits erreicht; 19 Länder werden ihr Ziel höchstwahrscheinlich innerhalb der nächsten fünf Jahre erreichen; die letzten vier werden ihre Ziele wahrscheinlich zwischen 2027 und 2030 erreichen.
Eine neue Analyse von SolarPower Europe zeigt, „dass die EU-Länder mit fast der Hälfte der eingereichten neuen NECP-Pläne das Ziel haben, die Solarkapazität der EU bis 2030 mehr als zu verdoppeln“. Mit zwölf Einreichungen aus EU-Ländern haben 15 EU-Länder die Frist vom 30. Juni für die Übermittlung ihrer aktualisierten Ziele an die Europäische Kommission nicht eingehalten.
Von den heute rund 208 GW installierten Solarkapazitäten streben die EU-Länder den neuesten verfügbaren Zielen zufolge bis zum Ende des Jahrzehnts eine Solarkapazität von 425 GW an. Die Europäische Kommission hat sich für das gleiche Jahr ein Ziel von 750 GW gesetzt. „Wenn wir aktuelle Installationstrends modellieren, können wir erkennen, dass die Realität dieses Ambitionsniveau bereits übertrifft“, bilanziert der Verband. Neuesten Untersuchungen zufolge geht SolarPower Europe davon aus, dass bis 2030 in der EU am wahrscheinlichsten über 900 GW Solarkapazität installiert sein werden.
Bioenergie: heute schon ein Baustein der Energiewende
Eine wichtige Rolle bei der Energiewende nimmt zunehmend die Bioenergie ein. Die Deutsche Energie-Agentur (dena) hat das zweite „Marktmonitoring Bioenergie“ sowie das „Branchenbarometer Biomethan“ veröffentlicht. Die Analysen bieten einen Einblick in die Entwicklung und Geschäftslage des Bioenergiemarktes. Bioenergie, ein Schlüssel zur Erreichung der erneuerbaren Energieziele, steht vor neuen Herausforderungen und Chancen.
„Die Energiewende muss in allen Sektoren schnell umgesetzt werden. Wir sind überzeugt, dass die Schaffung einer Langfristperspektive und Investitionssicherheit von entscheidender Bedeutung für
die Zukunft der Bioenergie sind“, erklärt Kristina Haverkamp, Geschäftsführerin der dena. Durch das kontinuierliche Marktmonitoring „zeigen wir die Herausforderungen für die Zielerreichung auf und fördern den Dialog zwischen Branche und politischen Entscheidungsträgern“. Mit vereinten Kräften könne die Branche die Energiewende vorantreiben und einen nachhaltigen Beitrag zum Klimaschutz leisten.
Die Ergebnisse der Analyse zeigen laut dem zweiten „Marktmonitoring Bioenergie“ sowie dem „Branchenbarometer Biomethan“ der dena: Bioenergie ist bereits heute ein zentraler Baustein der deutschen Energiewende und hat im Jahr 2022 74 Mio. Tonnen CO2-Äquivalente im Vergleich zu fossilen Energieträgern eingespart. Zwei Drittel der insgesamt erzeugten Energie aus Biomasse, also etwa 169 von insgesamt 253 Terrawattstunden (TWh), wurden Wärmezwecke eingesetzt, ca. 50 TWh für Strom und ca. 34 TWh als Kraftstoff im Verkehrssektor, so die dena weiter.
Herausforderungen für die Bioenergiebranche
Die Energiesituation im Jahr 2022 stellte die Bioenergiebranche vor Herausforderungen. Obwohl einige Regelungen zur Bioenergienutzung während der Energiekrise vorübergehend gelockert wurden, ging laut der Analyse die kurzfristige Nutzung im Vergleich zum Vorjahr sogar leicht um 3 TWh zurück.
„Die jeweiligen Anwendungsbereiche sahen sich dabei diversen Schwierigkeiten ausgesetzt. Negativ beeinflusst wurde die Biokraftstoffbranche vor allem durch den Import von vermeintlich fortschrittlichen und günstigen Biokraftstoffen aus China, welche das Geschäftsmodell deutscher Hersteller nach wie vor stark unter Druck setzt“, erläutert dena. Auch die weitergehende Debatte um den Ausschluss von nachwachsenden Rohstoffen trübe die Zukunftsaussichten zusätzlich.
Auch wenn entscheidende Weichenstellungen bei den Erneuerbaren Energien also noch zu stellen sind – sie sind für die Energieentwicklung in vielen Ländern die verheißungsvolle Zukunft. Und damit auch wichtige Impulsgeber für die Armaturenbranche: Damit es für die Unternehmen auch weiter beim Umsatzplus bleibt.
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