Wasserstoffbranche benötigt intelligente Systeme

Die Industrie sehnt den Wasserstoffhochlauf herbei. Um ihn aber besser voranzubringen, ist aus Sicht von zahlreichen Verbänden eine europäische Wasserstoffallianz notwendig. Um sie zu forcieren, ist laut einem Impulspapier einer Verbändeinitiative aus der Energiewirtschaft und Industrie die Politik in der Pflicht. Branchen – wie etwa die Armaturenunternehmen – sind dagegen schon längst bereit für den H2-Boom.

Wasserstoff und seine Derivate sind unverzichtbar, um Klimaneutralität zu erreichen, Versorgungssicherheit zu gewährleisten und den Industriestandort in Deutschland langfristig zu sichern. „Der Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft birgt zudem enormes Potenzial für die Wettbewerbsfähigkeit der EU, ihre globale Innovationskraft und Technologieführerschaft sowie zur Stärkung der Resilienz“, heißt es im Impulspapier von Verbänden wie zum Beispiel BDEW, DVGW, DWV, en2X, FNB GAS, DIE GAS- UND WASSERSTOFFWIRTSCHAFT, Hydrogen Europe, VCI, VDA, VDMA und WV Stahl. Hiermit könne maßgeblich zur Energie- und Technologiesouveränität Europas beigetragen werden.

Ziel: verstärkte Zusammenarbeit von EU-Mitgliedstaaten

Elektrolyseure nehmen eine zentrale Rolle beim Übergang zu einem nachhaltigen Energiesystem ein. Denn sie ermöglichen die Produktion von sauberem Wasserstoff, der fossile Brennstoffe in verschiedenen Anwendungen ersetzen soll.		Urheber: Swen Gottschall/DIE GAS- UND WASSERSTOFFWIRTSCHAFT
Elektrolyseure nehmen eine zentrale Rolle beim Übergang zu einem nachhaltigen Energiesystem ein. Denn sie ermöglichen die Produktion von sauberem Wasserstoff, der fossile Brennstoffe in verschiedenen Anwendungen ersetzen soll. Urheber: Swen Gottschall/DIE GAS- UND WASSERSTOFFWIRTSCHAFT

Doch der Hochlauf wird laut den Verbänden aktuell politisch erschwert: „Angesichts komplexer und unklarer regulatorischer Vorgaben, die zudem zu zusätzlicher Verteuerung führen, Verspätungen bei Infrastrukturprojekten und der dadurch noch zögerlichen Nachfrage, ist eine zunehmende Verunsicherung zu beobachten.“ Hier müsse dringend gegengesteuert werden. Mit der richtigen Rahmensetzung auf EU-Ebene und einer verstärkten Zusammenarbeit von EU-Mitgliedstaaten könne der Wasserstoffhochlauf zu einer europäischen Erfolgsgeschichte werden. Daher rufen die Verbände die Bundesregierung auf, eine Wasserstoff-Allianz auf Ebene der EU-Mitgliedstaaten ins Leben zu rufen und in dieser eine führende Rolle einzunehmen.

Internationale Vernetzung vorantreiben

Notwendig ist laut dem Impulspapier ein Fokus auf Kosteneffizienz und Pragmatismus sowie eine engere europäische Koordination und gezielte Fördermechanismen. Die Weichen für den Großteil der relevanten Regulierung werden auf EU-Ebene gestellt.

Zu den übergreifenden Zielen der Wasserstoff-Allianz soll etwa die internationale Vernetzung gehören: Die Allianz könne danach Brücken zu wichtigen Nicht-EU Partnern im Wasserstoffbereich bauen, unter anderem dem Vereinigten Königreich, Norwegen und Anrainerstaaten des Mittelmeers, um bei den Importkorridoren in die EU Fortschritte zu erreichen und Importquellen für den Bezug von kohlenstoffarmem Wasserstoff zu erschließen und diversifizieren.

Die EU-Regulatorik für Produktion und Importe von Wasserstoff solle überarbeitet werden – insbesondere mit Blick auf die Senkung der Herstellungskosten, die Anpassung der Strombezugskriterien für RFNBO-konformen Wasserstoff. Das Impulspapier fordert eine Zusammenarbeit für ein einheitliches, global anschlussfähiges H2-Zertifizierungssystem, ein Aufsetzen eines gangbaren Handelssystems sowie Zusammenarbeit zu Standards zu H2-Qualitäten auf EU-Ebene.

Wasserstoff ist auf dem Vormarsch: So produzieren die Stadt¬wer¬ke Ha߬furt mit ei¬nem Elek¬tro¬ly¬seur grü¬nen Was¬ser¬stoff, der dann in das Gas¬netz ein¬ge¬speist wird. Ak¬tu¬ell wer¬den fünf Pro¬zent Was¬ser-stoff ein¬ge¬speist, in Zu¬kunft sol¬len es hundert Pro¬zent sein.		Urheber: Jost Listemann/Zukunft Gas
Wasserstoff ist auf dem Vormarsch: So produzieren die Stadt¬wer¬ke Ha߬furt mit ei¬nem Elek¬tro¬ly¬seur grü¬nen Was¬ser¬stoff, der dann in das Gas¬netz ein¬ge¬speist wird. Ak¬tu¬ell wer¬den fünf Pro¬zent Was¬ser-stoff ein¬ge¬speist, in Zu¬kunft sol¬len es hundert Pro¬zent sein. Urheber: Jost Listemann/Zukunft Gas

Ausbau des europäischen H2-Backbones notwendig

Zudem müsse der Infrastrukturausbau beschleunigt werden: Dazu gehört der Ausbau des europäischen H2-Backbones und sich anschließender Korridore außerhalb der EU. „Dafür braucht es grenzüberschreitende Finanzierungsmechanismen“, heißt es weiter im Impulspapier. Zentral sei zudem der Bau von Importinfrastrukturen.

Außerdem solle die Offshore-Elektrolyse gestärkt und der Fokus auf maritime Räume gelegt werden. Die europäische Wasserstoffbank müssten gestärkt und Förderinstrumente ausgebaut werden.

Ferner sei ein Ausbau einer innovativen H2-Ökonomie und Technologieführerschaft im Sinne der Stärkung der europäischen Wettbewerbsfähigkeit notwendig. Hierzu gehört, so die Verbände, auch die Förderung von europäisch vernetzter Forschung und Entwicklung, um Innovationen voranzubringen.

Hyperlink ist ein wichtiger Teil eines Wasserstofftransportnetzes

Es muss also noch Einiges auf den Weg gebracht werden, um einen Wasserstoffhochlauf zu forcieren. Und er ist notwendig – denn er spielt eine zentrale Rolle bei der Energiewende in Deutschland und Europa. Es ist der einzige Weg, die bei der UN-Klimakonferenz (COP) 2015 in Paris definierten Ziele einzuhalten. Und es entstehen bereits erste, wichtige H2-Leitungen: So ist „Hyperlink“, eine 660 Kilometer lange H2-Pipeline des Netzbetreibers Gasunie, Teil eines Wasserstofftransportnetzes. Hyperlink bildet mit anderen Projekten den European Hydrogen Backbone. Es besteht aus fünf Teilprojekten. Der erste Teil des Hyperlink-Netzes wird 2026 fertiggestellt. Bis 2030 sollen schließlich Industriekunden und Cluster angeschlossen werden.

Wichtiger Zulieferer von unter anderem Armaturen für Hyperlink ist RMA, das in seinen Werken wasserstofftaugliche Komponenten fertigt und sie für diese wichtige Infrastruktur liefert. „An fast allen Backbone-Projekten, die in den nächsten Jahren gebaut werden, sind RMA-Kunden beteiligt“, erklärt das Unternehmen. Es sei daher zu erwarten, dass die Nachfrage nach wasserstofftauglichen Produkten von RMA stark ansteigen werde.

Es tun sich also vor dem Hintergrund der Energiewende und des steigenden Bedarfs an Wasserstoff zahlreiche Projekte auf. RMA ist vorbereitet: Das Unternehmen hat sämtliche Armaturen für H2 geprüft – und das bereits bevor eine Norm hierfür erstellt wurde. RMA fasste den Entschluss, den H2-Loop zu bauen, einen Prüfstand zum Testen, Kalibrieren und Eichen von Gasmengenzähler für Wasserstoff. Mit einem Investitionsvolumen von 8 Millionen Euro ist er seit Ende Juni 2023

RMA verfügt über den H₂-Loop, einen Prüfstand für Gasmengenzähler für Wasserstoff. Zusammen mit dem Prüfstand für Erdgaszähler bilden sie den „TwinLoop“. RMA möchte mit seinen Lösungen – wozu der TwinLoop gehört – die Energiewende mitgestalten. Foto: RMA Rheinau GmbH & Co. KG

Armaturen müssen Extreme bewältigen

Auch Herose ist für die speziellen H2-Herausforderungen gerüstet. Die Ventile des Unternehmens decken die gesamte Bandbreite an Bedingungen ab, denen Wasserstoff ausgesetzt sein kann – angefangen bei -255 °C für verflüssigten Wasserstoff bis hin zu 400 °C für komprimierten Wasserstoff. Der Druckbereich reicht von 0 bar bis 63 bar für Durchgangsventile und bis zu 550 bar und bald 1.200 bar für Hochdruck-Sicherheitsventile. „Darüber hinaus erreichen viele Ventile diese Extreme gleichzeitig, beispielsweise ist unser Sicherheitsventil mit einem maximalen Ansprechdruck von 550 bar auch für flüssigen Wasserstoff geeignet und somit ideal für kryokomprimierte Systeme“, erläutert Herose. Die Ventile im Wasserstoffportfolio werden zudem standardmäßig gereinigt und entfettet, um einen sicheren Betrieb zu gewährleisten und eine Verunreinigung von Prozesssystemen und Wasserstoff zu verhindern.

Viele Ressourcen werden bei Herose für die Weiterentwicklung der Wasserstoffventile verwendet: „Neue Anwendungen erfordern andere Betriebsbedingungen und manchmal völlig neue Ventiltypen.“ In Zukunft würden größere Ventile benötigt, um die größeren Durchflüsse zu bewältigen. „Darüber hinaus möchten wir unseren Kunden neue Vorteile bieten“, betont das Unternehmen. „Beispiele sind unsere Ventilmodule, bei denen eine Kombination aus Ventilen und Rohrleitungen verschiedene Funktionen bietet, und vakuumisolierte Ventile, die direkt an Flüssigwasserstofftanks und -anhängern verwendet werden können.“

Wasserstoffbranche benötigt smarte Armaturenlösungen

Mit der Umstellung des Gasnetzes auf Wasserstoff, dem Hochlauf der industriellen Wasserstoffspeicherung und auch mit dem Aufbau einer europäischen Wasserstoff-Tankstellen-Infrastruktur bedarf es einer Vielzahl unterschiedlichster Armaturen. „Die Anforderungen an diese werden sich jedoch von denen der heutigen Armaturen durch die zunehmende Dezentralisierung der Wasserstofferzeugung, -speicherung, -verteilung und -nutzung unterscheiden“, erläutert Werner Diwald, Vorstandsvorsitzender vom Deutschen Wasserstoff-Verband (DWV) e.V. „Zukünftig braucht die Branche zunehmend ‚smarte‘ Lösungen. Kein Problem, die Armaturenbranche entwickelt bereits die passenden Lösungen. Denn die Wasserstoffindustrie hat sie längst im Fokus.

Leitungen eines Wasserstoffspeichers der RAG Austria in Rubensdorf. Urheber: Swen Gottschal /DIE GAS- UND WASSERSTOFFWIRTSCHAFT
Michael Vehreschild
Michael betreut die Armaturen Welt als Redakteur. Als ausgebildeter Journalist beschäftigt er sich bereits seit vielen Jahren mit der Industrie und ihren Herausforderungen. Er weiß um die Themen, die die Armaturenbranche beschäftigt, und durchleuchtet sie in seinen Hintergrundberichten und Interviews.

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