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Die Industrie hat unter allen Wirtschaftssektoren Deutschlands den größten Wasserbedarf. Umso bedeutsamer ist es für sie, über effiziente Technologien zur Reinigung und Kreislaufführung des Wassers zu verfügen. Diese sollen idealerweise auch die Rückgewinnung von Energie und wertvollen Rohstoffen für den erneuten Einsatz in der Produktion ermöglichen. Fraunhofer-Forschende haben dafür nun eine Versuchs- und Technologie-Plattform entwickelt, die all diese Fragen praxisnah adressiert. Sie steht direkt auf dem Gelände eines Großklärwerks, das das Abwasser eines der größten europäischen Chemieparks reinigt.
Ein Beitrag von Michael Vehreschild.
Dank strenger Vorschriften für das Einleiten von Abwässern in Flüsse und leistungsfähiger Klärwerke mit mehrstufigen Filtern und biologischen Reinigungsanlagen kann sich Deutschland über eine hohe Wasserqualität und erstklassiges Trinkwasser freuen. Doch die Qualitätsanforderungen steigen und die Wasserwirtschaft steht vor neuen Herausforderungen. Das liegt zum einen an der Verknappung der Ressource Wasser: Klimatisch bedingt sinkt das Angebot, aber gleichzeitig wächst der Bedarf wie in der Landwirtschaft oder durch die flächendeckende Umstellung auf Wasserstoffwirtschaft.
Hinzu kommt, dass moderne Analysemethoden früher unbemerkte Schadstoffe nun auch in geringsten Konzentrationen im Wasser entdecken, darunter Arzneimittel- und Chemikalienrückstände, sogenannte Mikroschadstoffe. Grund zur Panik gibt es allerdings nicht. „Die Wasserqualität in Deutschland ist nach wie vor sehr gut“, sagt Dr. Burkhardt Faßauer, Leiter der Abteilung Kreislauftechnologien und Wasser beim Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme IKTS. „Aber wir müssen uns für die Herausforderungen der Zukunft rüsten.“
Forschungsplattform auf dem Werksgelände
Nun hat Fraunhofer ein Projekt gestartet, das die Reinigung von industriellem Abwasser auf ein neues Niveau heben und einen noch effizienteren Schutz der Gewässer und des Trinkwassers ermöglichen soll. Ein weiteres Ziel besteht darin, wiederverwertbare Stoffe aus dem Abwasser zu holen. „Manche Rückstände oder Prozesschemikalien im Industrieabwasser sind wieder als Rohstoff für die Industrie nutzbar. Das trifft beispielsweise auf verschiedene Salze oder Metalle zu. Wir entwickeln Verfahren, mit denen sich diese Rohstoffe aus dem Abwasser zurückgewinnen lassen“, erklärt Faßauer. Neben dem Fraunhofer IKTS sind auch die Fraunhofer-Institute für Solare Energiesysteme ISE, für Mikrostruktur von Werkstoffen und Systemen IMWS und für Molekularbiologie und Angewandte Oekologie IME als Projektpartner beteiligt.
Das Besondere ist, dass die Fraunhofer-Forscherinnen und -Forscher ihre Technologie-Plattform nicht im Labor installiert haben. Sie haben vielmehr eine Reihe von Versuchscontainern auf dem Gelände des Gemeinschaftsklärwerks Bitterfeld-Wolfen aufgestellt. Das Klärwerk ist eines der modernsten in Mitteldeutschland. Es reinigt neben kommunalen Abwässern vor allem die industriellen Abwässer der knapp 300 Unternehmen des Chemieparks Bitterfeld-Wolfen, eines der größten in Europa. „Hier sind wir direkt vor Ort und können gezielt, kontinuierlich und in relevanten Mengen auf bestimmte Abwässer zugreifen.
So sind wir in der Lage, die Experimente nahe am Industriemaßstab und unter realen Bedingungen durchzuführen“, freut sich André Wufka, Gruppenleiter Systemtechnik Wasser und Abwasser. Ein wesentlicher Vorteil der Technologie-Plattform ergibt sich aus dem Grundkonzept des modularen Aufbaus. Aggregate und Anlagen lassen sich jederzeit austauschen oder an einer anderen Stelle im Prozessablauf platzieren. So können die Experten-Teams nahezu beliebig technische Prozesse im Klärwerk nachbilden, analysieren, umstellen und optimieren.
Modernstes Equipment zur Abwasserbehandlung
Das Wissenschaftler-Team rückt den Abwässern mit State-of-the-Art-Equipment zu Leibe. Dabei beschreiten die Expertinnen und Experten mehrere Wege. Sie entwickeln bestehende Verfahren weiter, sie kombinieren herkömmliche Methoden zu neuen Prozessen und sie arbeiten an innovativen und im Idealfall disruptiven Technologien. Ein Beispiel sind intelligente, schaltbare Membranen, die bestimmte Mikroschadstoffe „erkennen“ und sie dann separieren. Das Fraunhofer IKTS ist eine der ersten Adressen in Europa für Wassertechnologien und bringt daher vielfältige Erfahrungen und Know-how ein. Neben Membranen, biologischen und elektrochemischen Methoden nutzen die Forschenden auch modernste Sensortechnik. „Wir testen zum Beispiel die Leistungsfähigkeit neuartiger Sensorsysteme, die auf Grundlage der Oberflächenplasmonenresonanz-Spektroskopie arbeiten. Dabei verändern die nachzuweisenden Schadstoff-Moleküle, die auf einem nanostrukturierten Sensorsubstrat anhaften, die Lichtbrechung. Der Sensor registriert die veränderte Brechzahl des Lichts, misst so die Schadstoffkonzentration im Wasser und könnte damit einen Reinigungsprozess steuern“, erklärt Wufka.
Salze schaden der Flora und Fauna
Neben der Erprobung neuer Technologien zur Behandlung des industriellen Abwassers nehmen die Fraunhofer-Expertinnen und -Experten ein weiteres Problem in den Blick: die bei der Reinigung anfallenden Rückstände wie Salze. Sie sind häufig ein Bestandteil von Produktionsabwässern, selbst das gereinigte Wasser enthält noch Anteile an Salzen. „Wenn diese Salze in großen Mengen in Flüsse gelangen, kann dies zu Problemen führen. In einer Hitzeperiode wie beispielsweise im Sommer 2022 sinkt der Flusspegel, und dementsprechend steigen die Konzentrationen von im Flusswasser enthaltenen Stoffen. Das kann für die Flora und Fauna unter Wasser erhebliche Folgen haben“, sagt Wufka. Die Forschenden vom Fraunhofer IKTS arbeiten deshalb gemeinsam mit den Partnerinstituten nicht nur an Lösungen, um die gewonnenen Salze wieder in der Produktion einzusetzen, sondern auch daran, sie noch effektiver aus dem Abwasser zu entfernen.
Produktionsorientierter Umweltschutz
Die im Projekt entstehenden Filter- und Reinigungstechnologien kommen den Klärwerken zugute, können darüber hinaus aber auch direkt in der industriellen Produktion eingesetzt werden. Hier können die Fraunhofer-Forschenden die Flexibilität ihrer Technologie-Plattform nutzen, indem sie für individuelle Probleme oder Bedarfe eines Industriekunden passende Reinigungsstrategien erproben.
„Unternehmen der chemischen Industrie beispielswiese können eine von uns entwickelte Anlage zur Rückgewinnung von Rohstoffen im Abwasser direkt in der Produktionshalle aufstellen“, sagt Faßauer.
Auch Max Fuhr, kaufmännischer Leiter des Chemieparks Bitterfeld-Wolfen, setzt auf die Arbeit der Fraunhofer-Forschenden: „Das Abtrennen und Sammeln wiederverwendbarer Rohstoffe aus dem Prozesswasser ist ein wichtiger Beitrag zur Kreislaufwirtschaft und ein Schlüssel für die Effizienz in der industriellen Produktion. Zudem senkt es die Kosten. Daneben erwarten wir, dass innovative Aufbereitungstechnologien uns in Zukunft helfen, die Ressource Wasser am Standort noch nachhaltiger zu nutzen und die weitere Ansiedlung innovativer Unternehmen zu ermöglichen.“
Entstanden war die Idee einer Versuchsanlage auf dem Werksgelände des Klärwerks ursprünglich in Gesprächen der Klärwerksexperten mit den Forscherinnen und Forschern des Fraunhofer IKTS. „Daraus ist heute eine europaweit einzigartige Test- und Innovationsplattform für die Behandlung von industriellen Abwässern geworden, das freut uns natürlich sehr“, sagt Faßauer.
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