Die Transformation hin zu klimaneutralem Wirtschaften kann nur mit der Chemiebranche gelingen. Eine große Aufgabe, für die sie auch längst bereit ist – dabei ist die zunehmende Digitalisierung in den Unternehmen ein wichtiger Motor. Die Chemieindustrie weißt darum, dass Nachhaltigkeit ebenfalls ein Bestandteil ihrer Strategie sein muss. Und sie ist auf einem guten Weg. Eine weitere aktuelle und gute Nachricht stellen die neuesten Konjunkturzahlen dar: Das erste Halbjahr 2024 verlief für die chemisch-pharmazeutische Industrie in Deutschland besser als erwartet, berichtet der Verband der Chemischen Industrie (VCI). Der Anfang eines Aufschwungs?
Einem sinkenden Branchenumsatz und fallenden Erzeugerpreisen steht ein leichtes Produktionsplus gegenüber. Trotz einzelner positiver Signale ist die Stimmung in der Branche jedoch nach wie vor verhalten. Besonders das Inlandsgeschäft enttäuscht.
„Es gibt einen Silberstreif, aber von einem stabilen Aufwärtstrend kann keine Rede sein“, erklärt VCI-Präsident Markus Steilemann. Die leichten Anzeichen der Erholung seien kein Grund zum Jubeln. „Wir erwarten zwar, dass sich die Auftragslage im Jahresverlauf verbessert. Die Signale leichter Entspannung dürfen aber den Blick auf die Standortprobleme nicht verstellen: Neben fehlenden Aufträgen bereiten uns die Energiepreise und die Bürokratie die größten Sorgen.“
In Summe ähnelte das erste Branchen-Halbjahr dem Wetter – es war geprägt von sonnigen und regnerischen Abschnitten, so der VCI weiter. Mehr Bestellungen von Kunden aus dem In- und Ausland sorgten dafür, dass die Branche ihre Produktion im ersten Halbjahr um 3 Prozent steigern konnte. Damit lag sie aber immer noch rund 11 Prozent niedriger als 2021. Viele Anlagen waren deshalb nach wie vor nicht ausgelastet und blieben unterhalb der Rentabilitätsgrenze.
Grundstoffchemie hat wieder Boden gutgemacht
Nach dem vorangegangenen starken Einbruch hat insbesondere die Grundstoffchemie wieder Boden gutgemacht. Im ersten Halbjahr lag die Produktion anorganischer Grundstoffe 12 Prozent höher als im Vorjahr. Auch die Produktion organischer Grundstoffe legte mit 8,5 Prozent kräftig zu. Bei den übrigen Chemiesparten fiel das Produktionsplus deutlich niedriger aus: Bei konsumnahen Chemikalien stieg die Produktion nur leicht (2 Prozent), ebenso bei der Polymerproduktion (1,5 Prozent). Die Produktion in der Spezialchemie war erneut rückläufig (-2 Prozent). Grund dafür war, dass viele industrielle Kunden ihre Produktion im ersten Halbjahr gedrosselt hatten und sich dementsprechend mit Bestellungen zurückhielten.
Zuversicht kommt aus dem Pharmageschäft. Seit Jahresbeginn stehen die Zeichen wieder auf Wachstum. Die Produktion legte im ersten Halbjahr um 1,5 Prozent zu. Die hohe Nachfrage sorgte für ein Umsatzwachstum von 6 Prozent.
Insgesamt lag der Branchenumsatz von Chemie und Pharma im ersten Halbjahr mit rund 112 Milliarden Euro rund 1 Prozent niedriger als im Vorjahr. Ursache dafür waren vor allem die Erzeugerpreise, die im ersten Halbjahr unter Druck gerieten. Sie sanken im Branchendurchschnitt um 4 Prozent.
Zweites Halbjahr: Konjunkturell besser, Stimmung gedämpft
Die Auftragslage in der Chemie dürfte sich – konjunkturell gesehen – im Jahresverlauf weiter verbessern. Angesichts dieser Entwicklung bleibt der VCI bei seiner Prognose für das Gesamtjahr: 3,5 Prozent Produktionsplus und ein Umsatzplus von 1,5 Prozent. Wesentlicher Treiber bleibt das Auslandsgeschäft.
Die Stimmung in der Branche ist jedoch weiterhin gedämpft. Laut den Ergebnissen der aktuellen VCI-Mitgliederbefragung spüren erst 30 Prozent der Unternehmen eine konjunkturelle Erholung. Rund 50 Prozent hoffen im zweiten Halbjahr oder im Jahresverlauf 2025 auf eine Besserung.
Auftragsmangel, hohe Energiepreise, steigende Bürokratie: In dieser Gemengelage entscheiden sich immer mehr Unternehmen gegen den Standort Deutschland. Laut VCI-Mitgliederbefragung gingen die Investitionen der Branche in Deutschland im vergangenen Jahr um 2 Prozent auf 9,2 Milliarden Euro zurück. Gleichzeitig stiegen die Investitionen im Ausland mit rund 12 Milliarden Euro um gut 8 Prozent. Hinzu kommt, dass Deutschlands Wettbewerbsbedingungen immer mehr ausländische Investoren abschrecken. Damit droht die Transformation, mit der Deutschland zum Vorreiter für Zukunftstechnologien werden will, ins Stocken zu geraten.
Ungenutztes Potenzial nicht liegen lassen
Dabei bringt Deutschland aus Sicht des Verbandes genügend Innovationspotenzial mit, um auch eine Technologienation der Zukunft zu sein. „Was fehlt, sind die richtigen Rahmenbedingungen, um dieses Potenzial wettbewerbsfähig einsetzen zu können.“ Für den VCI sind daher besonders drei Maßnahmen essenziell:
Gebühren sollten gesenkt werden: Der VCI wünscht sich für seine Unternehmen wettbewerbsfähige Energiepreise durch Entlastungen bei der Stromsteuer und den Netzentgelten – plus Senkung der Unternehmens- und Körperschaftssteuer sowie Abschaffung des Solidaritätszuschlags. Außerdem seien Investitionen in Bildung, Sicherheit und Infrastruktur bedeutsam – inklusive Ausbau der Stromnetze, als Daseinsvorsorge auch in Teilen öffentlich finanziert. Schließlich solle es laut VCI weniger Bürokratie für mehr Investitionsanreize geben – auf nationaler und auf EU-Ebene.
Verschiedene Herausforderungen
Es gibt also mehrere Baustellen bei der Chemieindustrie – sie reichen von Energiepreisen über eine steigende Bürokratie bis hin zu den Herausforderungen für eine fortschreitende Umsetzung von Digitalisierung und Nachhaltigkeit.
In den kommenden Jahren erwartet daher der VCI eine weitere Zunahme der Digitalisierungsaktivitäten. „Gerade vor dem Hintergrund der rasanten Entwicklung der Künstlichen Intelligenz dürfte die Geschwindigkeit noch einmal zunehmen“, erklärt Wolfgang Große Entrup, Hauptgeschäftsführer beim Verband der Chemischen Industrie (VCI), gegenüber der „Armaturen Welt“. „In der Digitalisierung sehen wir viele Chancen.“ Sie vereinfache und beschleunige Prozesse, erhöht die Produktivität und steigere somit die Wettbewerbsfähigkeit. „Dabei finden sich Ansatzpunkte für digitales und vernetztes Handeln in der Chemie entlang der gesamten Wertschöpfungskette“, betont Wolfgang Große Entrup.
Armaturenbranche wichtiger Teil der Lösung
Auch die Zulieferer von Komponenten – wie beispielsweise die Unternehmen der Armaturenbranche – tragen zur Realisierung von Nachhaltigkeit in der Chemie bei. „In Lieferbeziehungen funktioniert Nachhaltigkeit in der Regel am besten im Zusammenspiel. Das heißt: Die Lösung muss zu den Bedürfnissen der Unternehmen passen“, erläutert Wolfgang Große Entrup. Deshalb sei es wichtig, dass sich Lieferanten und Kunden eng über Nachhaltigkeitsanforderungen austauschen und abstimmen, „um so zu passgenauen Lösungen zu kommen“.
Es gibt also mit Blick auf Technologie, Wirtschaft und Politik viel zu tun. Die Unternehmen der Chemieindustrie haben sich jedenfalls für eine weiterhin erfolgreiche Zukunft auf den Weg gemacht – und dabei werden sie wie immer engagiert und mit Qualitätskomponenten von der Armaturenbranche begleitet.
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