Der globale Markt für weltraumgestützte Infrastruktur und Dienste wird sich bis 2040 vervierfachen – von heute knapp 500 Milliarden auf 2.000 Milliarden Euro. Damit wird die Raumfahrtindustrie ein Wachstumsmotor und Innovationstreiber für moderne Volkswirtschaften. Auch für die deutsche Wirtschaft besteht erhebliches Potenzial, dank ihres spezialisierten Ingenieurs-Know-how, das die Raumfahrt dringend benötigt. Roland Berger zeigt in seiner Studie „Aufholjagd im All“ in Kooperation mit dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), welche Potenziale NewSpace für die Zukunft der deutschen Industrie eröffnet. Auch die Armaturenbranche hat den Weltraum bereits im Blick.
Das Apollo-Programm der USA zeigt, was gezielte Investitionen in Raumfahrt langfristig bewirken können. Viele seiner Errungenschaften bilden bis heute die Basis für die technologische Führungsrolle der USA. „Ein solches Mindset für die Bedeutung und das Potenzial von Raumfahrt brauchen wir auch in Deutschland“, erklärt Roland Berger. Sie stärkt „branchenübergreifend unsere Industrie, sichert technologische Souveränität und schafft neue Geschäftsmodelle“, betont die europäische Unternehmensberatung weiter.
Aufholjagd der europäischen Raumfahrt ist notwendig
Für eine Aufholjagd zu den führenden Raumfahrtnationen USA und China ist laut der Studie ein echter Aufbruch nötig: Um den aktuellen europäischen Marktanteil von rund 17 Prozent im wachsenden Space-Markt zu halten, wären bis 2040 zusätzliche Investitionen in Höhe von etwa 237 Milliarden Euro notwendig.

Allein Deutschland müsste seine Ausgaben im selben Zeitraum um 56 Milliarden Euro erhöhen. Roland Berger: „Um den Marktanteil im selben Zeitraum auf 25 Prozent zu steigern, müsste Deutschland zusätzlich 93 Milliarden Euro investieren. Die europäischen Investitionen müssten hierfür insgesamt um 412 Milliarden Euro steigen.“ Neben höheren Investitionen brauche es größere Ambitionen: Eine zielgerichtete staatliche Nachfrage, bessere Rahmenbedingungen durch den Abbau bürokratischer Hürden, mehr Risikofreude sowie eine klare strategische Vision – von Raumfahrt als Treiber für technologische Führerschaft.
Investitionslücke zu internationalem Wettbewerb dringend schließen
„Die Raumfahrt ist eine Schlüsselindustrie für Europas Zukunft“, sagt Stefan Schaible, Global Managing Partner bei Roland Berger. „Wenn wir unsere Rolle in der Welt stärken wollen, müssen wir bei der Raumfahrt vorne mitspielen. Weltraumgestützte Technologien sind Treiber für Wachstum und Sicherheit gleichermaßen. Dafür braucht es Investitionen, Geschwindigkeit in Prozessen und die klare Vision, global eine führende Position einzunehmen.“
Wie groß der Nachholbedarf sei, zeige ein Blick auf die Investitionslücke, die den deutschen Raumfahrt-Sektor im Vergleich zu den USA und China bisher stark bremst. Die öffentlichen Ausgaben für Weltraumprojekte lagen in Deutschland bei rund 2,5 Milliarden Euro in 2024. Die bereits führende Raumfahrtnation USA investierte 72 Milliarden Euro. Auch China steigert seine Ausgaben signifikant auf rund 18 Milliarden Euro im Jahr 2024. Auch andere Raumfahrtnationen wie Japan oder Frankreich investieren erheblich mehr als Deutschland.
Risiken durch Abhängigkeiten minimieren
„Die jahrzehntelange Unterfinanzierung hat Folgen“, betont Roland Berger: Zum Beispiel betreibt Deutschland derzeit nur etwas mehr als 80 eigene Satelliten, die USA dagegen über 10.000 und China über 900 – Tendenz stark steigend. Daraus entstünden problematische Abhängigkeiten, etwa bei der Satellitenkommunikation: Aktuell gebt es keine deutsche oder europäische Alternative zum amerikanischen Netzwerk. „Dabei sind Daten aus dem All heute unverzichtbar – für unsere Verteidigungsfähigkeit ebenso wie für zentrale Prozesse moderner Volkswirtschaften, etwa das Management von Logistik und Lieferketten, für neue Mobilitätslösungen oder Anwendungen der Industrie 4.0.“

„Raumfahrt ist in einer geopolitisch unsicheren Welt weit mehr als Technologie – sie ist notwendige sicherheitsrelevante Infrastruktur. Wer keine eigenen Weltraumfähigkeiten besitzt, ist abhängig und verwundbar,“ betont BDI-Präsident Peter Leibinger. „Zugleich eröffnet Raumfahrt deutschen Industrieunternehmen mit ihrer Ingenieurskompetenz neue Wachstumsmöglichkeiten – von globaler Datenkommunikation über Mondlogistik bis hin zu Space Mining. Damit Deutschland diese Chancen nutzen kann, braucht es entschlossenes politisches Handeln: Raumfahrt muss als strategisches Rückgrat unserer industriellen Stärke und technologischen Souveränität verstanden werden.“ Gerade in einem hochtechnologischen Feld wie der Raumfahrt müsse die Politik Agilität, Mut zum Risiko und zu Innovation fördern statt ausbremsen.
„Deutschland sollte aufgrund des Dual-Use Charakters von Raumfahrt seine ESA-Investitionen deutlich erhöhen – von drei auf sechs Milliarden Euro in den kommenden drei Jahren. Von der Ministerratskonferenz im November in Bremen sollte unter deutschem Vorsitz ein Signal des Aufbruchs für Europa ausgehen.“
Handlungsempfehlungen für die Aufholjagd
Neben Hintergrundanalysen und Berechnungen haben die Studienautoren eine Reihe von Vorschlägen und Handlungsempfehlungen für die politischen Entscheidungsträger ausgearbeitet, mit denen Deutschland das Rennen mit den USA und China aufnehmen könne. An erster Stelle stünden dabei Maßnahmen, um ein gesamtgesellschaftliches Bewusstsein für die Bedeutung und die Chancen des Themas Raumfahrt zu schaffen. Zudem sollten laut Roland Berger Staatsaufträge genauso wie Investitionen nicht nur ausgebaut, sondern auch gezielt auf den größten wirtschaftlichen, gesellschaftlichen, sicherheitspolitischen und strategischen Nutzen ausgerichtet werden.
Nationale und europäische Raumfahrtbehörden seien aufgefordert, ihre Kräfte enger zu koordinieren und den Fokus stärker auf kommerzielle Aspekte zu legen. Damit die NewSpace-Economy wachsen könne, brauche es in Deutschland und Europa mehr Freiraum für Innovationen und weniger Bürokratie.
Flüssigkeitskühlung für Satellitenbodenstationen
Zahlreiche Unternehmen bieten bereits Komponenten und ganze Lösungen für Raumfahrt und Satellitentechnik. Zum Beispiel technotrans: Das Unternehmen liefert hochpräzise Systeme zur Flüssigkeitskühlung mit einem Auftragsvolumen im einstelligen Millionen-Euro-Bereich an einen etablierten Anbieter von Kommunikationstechnologie. Die Kühlsysteme kommen in einem Netzwerk mehrerer Satellitenbodenstationen zum Einsatz. Ziel ist die Herstellung einer durchgehend stabilen Datenübertragung bei zukünftigen Weltraummissionen.
„Unser Thermomanagement trägt entscheidend dazu bei, eine zuverlässige Kommunikation über extreme Distanzen von mehreren hunderttausend Kilometern sicherzustellen“, erklärt Michael Finger, CEO der technotrans SE. Um eine unterbrechungsfreie Datenübertragung ins All zu gewährleisten, werden an mehreren Standorten auf der Erde leistungsfähige Satellitenantennen installiert. Die Hightech-Antennensysteme erfordern äußerst präzise thermische Rahmenbedingungen mit einer Temperaturgenauigkeit von 0,1 Kelvin an allen Standorten weltweit.
Technotrans entwickelte ein auf diese komplexen Anforderungen zugeschnittenes Flüssigkeitskühlsystem für die Hochfrequenz-Antennen. Dank intelligenter Regeltechnik sorge das System jederzeit für exakte Temperaturbedingungen, die ein stabiles Senden und Empfangen von Kommunikationsdaten sicherstellen.
Noreva-Neubau für die Fertigung von Hightech-Kunststoff-Fertigteilen
Und die Armaturenbranche investiert in die Branche: So errichtet die Noreva GmbH am Mönchengladbacher Firmensitz einen Neubau für die Fertigung von Hightech-Kunststoff-Fertigteilen, die ideal für industrielle Einsätze in der Luftfahrt- und Raumfahrt, der Halbleitertechnik sowie für Dichtungen und Buchsen im Hochtemperaturbereich geeignet sind. Noreva investiert dazu rund 4 Millionen Euro in den Bau der 1.100 Quadratmeter großen Produktionshalle, in der Hightech-Kunststoff-Fertigteile hergestellt werden. Damit legt der Spezialist für schlagfreie Düsenrückschlagventile den Grundstein für ein zweites Standbein.
Ventile für die Lebenserhaltung von Astronauten
Die Anwendungen für die Raumfahrtbranche sind vielfältig. So wurde etwa die KITZ Corporation mit der Entwicklung von Ventilen beauftragt, die für die Lebenserhaltung der Astronauten im Internationalen Habitat-Modul (I-Hab) entscheidend sind. Dieses Modul ist Teil der bemannten Mondstation Gateway, die von Mitsubishi Heavy Industries Ltd. entwickelt wird.
„Wir entwickeln die Ventile für das Environmental Control and Life Support System (ECLSS)“, erklärt KITZ in einer Mitteilung. Das ECLSS sei entscheidend für die Aufrechterhaltung des Lebens der Besatzung in der I-Hab. Dieses System umfasst Funktionen im Zusammenhang mit der Umweltkontrolle, einschließlich Druckkontrolle, Sauerstoffzufuhr und Entfernung von Kohlendioxid und schädlichen Gasen.
Denn in der Mondumlaufbahn ist höchste Zuverlässigkeit gefragt. KITZ: „Unsere Aufgabe ist es, die Flüssigkeitssteuerung unter solch rauen Bedingungen aufrechtzuerhalten und das ECLSS konstant zu betreiben. In unserem Wasserstoffgeschäft haben wir erfolgreich Ventile entwickelt, die in der Lage sind, Flüssigkeiten unter den extremen Bedingungen von -253℃ für flüssigen Wasserstoff und 98MPa für Ultrahochdruck-Wasserstoff zu steuern.“

Auf Mondmission mit Witzenmann
Für die geplante Artemis-3-Mission – die zweite bemannte Mission des Orion-Raumschiffs und die erste bemannte Mondlandung seit Apollo 17– lieferte Witzenmann Aerospace als Partner der Ariane Group Komponenten für die Steuerventile zur Treibstoffversorgung der 8 Backup-Triebwerke und der 24 Triebwerke zur Lageregelung des European Service Module (ESM) des Orion Multi Purpose Crew Vehicle (Orion MPCV). „Wir sind sehr stolz darauf, mit Komponenten aus Pforzheim, die höchsten Sicherheitsanforderungen genügen, einen Beitrag für den Weg der Menschheit zurück zum Mond und darüber hinaus zu leisten“, erklärt Witzenmann Aerospace.
Armaturenbranche ist für einen Raumfahrt-Boom gerüstet
Armaturen für die Raumfahrt bietet zum Beispiel auch Stöhr Armaturen – und das bereits seit 1970 für europäische Projekte der Raumfahrt wie EUROPA, ARIANE und TEXUS). Heute verrichten die Ventile von Stöhr ihren Dienst außerdem in der außereuropäischen Raumfahrt. Neben zahlreichen Anwendungen in der Bodenlogistik entwickelt und produziert das Unternehmen auch fliegendes Material – wie zum Beispiel Ventile zur TEXUS-Mission oder Komponenten für Satelliten.
Die Armaturenbranche hat also längst die Raumfahrt und Satellitentechnik im Blickpunkt. Für einen kommenden Boom der Raumfahrt wäre sie bestens gerüstet.

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