Der dringend notwendige Wachstumsimpuls

Geschafft! Der Jubel der Unternehmen über den Abschluss des EU-Mercosur-Abkommens ist groß, nachdem jahrzehntelang hierum gerungen worden war. Der Wegfall von Zöllen zwischen den beiden Wirtschaftsräumen kann deutsche Unternehmen jährlich um Kosten in Milliardenhöhe entlasten. Der Mercosur-Markt – zu dem Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay gehören – ist auch ein wichtiger Absatzmarkt für die Armaturenbranche und wird sie von Zollabgaben entlasten.

Das Handelsabkommen, dessen Verhandlungen die Mercosur-Staaten im Dezember abgeschlossen haben, schafft einen gemeinsamen Markt mit über 700 Millionen Einwohnern. Zusammen bilden sie die fünftgrößte Wirtschaftsregion der Welt mit einem jährlichen Bruttoinlandsprodukt von 2,2 Billionen Euro.

„Rund 12.500 deutsche Unternehmen exportieren in den südamerikanischen Wirtschaftsraum, 72 Prozent von ihnen sind kleine und mittlere Betriebe“, berichtet die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK). Die deutschen Mercosur-Ausfuhren sichern nach Angaben der EU 244.000 Jobs in Deutschland, EU-weit sind es 855.000. „Der Wegfall von Zöllen zwischen den beiden Wirtschaftsräumen kann deutsche Unternehmen jährlich um Kosten in Milliardenhöhe entlasten“, erläutert die DIHK. Ein echter Meilenstein, betont der Verband.

Zeichen für offene Weltmärkte

„Gerade in Zeiten großer globaler Unsicherheit schafft das Abkommen für unsere stark exportorientierten Unternehmen endlich die dringend benötigte Planungssicherheit“, erklärt DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier. Damit können die EU und Deutschland „ein entschiedenes Zeichen gegen Protektionismus und für offene Weltmärkte setzen. Gleichzeitig steigert eine stärkere Diversifizierung der Lieferketten auch unsere wirtschaftliche Resilienz“.

„Der Mercosur mit seinen 270 Millionen Einwohnern ist nicht nur wichtiger Absatzmarkt, sondern auch Investitionsstandort“, freut sich auch Ingo Kramer, Vorsitzender der Lateinamerika Initiative der Deutschen Wirtschaft (LAI). Der Abbau der Handelsschranken werde auch zu einem Aufwuchs von Investitionen führen. Vorteile für die heimische Industrie sind laut LAI, dass europäische Unternehmen ihre Produkte günstiger in den Mercosur-Ländern verkaufen oder von den Importen aus den südamerikanischen Ländern profitieren. „Zum anderen geht es darum, sich unabhängiger von China und den USA zu machen und mit anderen Regionen der Welt bessere Handelsverbindungen zu knüpfen.“

Umfassende Automatisierungs- und Digitalisierungslösungen sorgen für einen stabilen Produktionsprozess und effiziente Arbeitsabläufe. Voith ist mit den bisher über 300 digitalen Installationen weltweit ein führender Anbieter für Digitalisierungslösungen. Auch für Voith ist der Mercosur-Markt wichtig. Foto: Voith

Hohe Zölle werden eingespart

„Das Abkommen setzt den dringend notwendigen Wachstumsimpuls für die deutsche und europäische Wirtschaft“, betont Siegfried Russwurm, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI). Mit dem Handelsabkommen fielen für die Unternehmen hohe Handelsbeschränkungen weg. „Allein auf europäischer Seite sparen sie rund vier Milliarden Euro jährlich an Zöllen ein“, erläutert Russwurm.

Auch der VDMA unterstreicht die Vorteile des EU-Mercosur-Abkommens. „Das Abkommen ist ein wichtiges Zeichen gegen Abschottung und für offene Märkte. Vom freien Handel mit dem Mercosur profitieren die heimischen Unternehmen, ihre Mitarbeitenden und die Verbraucher. Durch das Abkommen können allein auf EU-Seite Zölle in Höhe von jährlich 4 Milliarden Euro eingespart werden“, sagt Ulrich Ackermann, Leiter Außenwirtschaft im VDMA. Das Freihandelsabkommen sei auch vor dem Hintergrund des drohenden Zollkonflikts mit den USA und des weiteren Vordringens Chinas auf dem lateinamerikanischen Kontinent wichtig.

Komponenten für Kraftwerke und Zellstoffwerke

Natürlich auch für den Anlagenbau und die Armaturenbranche in der EU besitzt der Mercosur-Markt eine hohe Bedeutung. Denn bereits seit langem erhalten die Unternehmen von den südamerikanischen Staaten zahlreiche Aufträge. So modernisiert beispielsweise Andritz im Auftrag von Companhia Paranaense de Energia (COPEL) das Wasserkraftwerk Governador Parigot de Souza in Curitiba, Brasilien. Die Modernisierung umfasst ein umfangreiches Upgrade der wichtigsten Komponenten des Kraftwerks, darunter Peltonturbinen, Generatoren, Absperrorgane und Brückenkräne. Andritz wird auch modernste elektrische Systeme, Automatisierungslösungen, Schutzsysteme und Zusatzinstrumentierung liefern, um die Effizienz und Zuverlässigkeit der Anlage zu verbessern.

Außerdem nahm Andritz eine umweltfreundliche Produktionsanlage für Viskosezellstoff beim Projekt „STAR“ von Bracell in Lençóis Paulista, São Paulo, erfolgreich in Betrieb. Eine der beiden Faserlinien für Hartholz wurde von Kraft- auf Viskosezellstoffproduktion umgestellt.

Auch Valmet hat Südamerika im Fokus. Das finnische Unternehmen modernisierte ein Zellstoffwerk in Brasilien, und zwar die Faserlinie Nr. 1-Anlage des Zellstoffwerks von Cenibra in Belo Oriente. Die Faserlinie wird für eine Kapazitätssteigerung von 100.000 Tonnen Zellstoff pro Jahr vorbereitet.

Kugelhähne für die Gasproduktion

Mehr als 80 hochentwickelte Kugelhähne mit Metallsitz konstruierte, fertigte und lieferte Ampo Poyam Valves aus Spanien für das Projekt La Calera in Argentinien. Das Projekt umfasst den Bau zentraler Verarbeitungsanlagen (CPF) im Pluspetrol-Feld in Vaca Muerta, Provinz Neuquén, Argentinien. Die neue Anlage wird es Pluspetrol – einem Unternehmen im Bereich Hochdruck-Gasfeldern und Ölförderung – ermöglichen, seine Gasproduktion etwa von 5 MMm3/Tag auf 10 MMm3/Tag zu verdoppeln und die Flüssigkeitsproduktion zu vervierfachen auf 1.000 m3/Tag bis 4.800 m3. Die neue Aufbereitungsanlage geht nun in die Endphase. Techint erhielt den EPC-Auftrag für die Entwicklung dieser zentralen Verarbeitungsanlagen und vertraute auf Ampo für die Entwicklung und Herstellung mehrerer geschmiedeter Kugelhähne mit Metallsitz bis zu 24 Zoll und 600 Pfund.

Paraibuna Embalagens hatte Voith mit der Lieferung des OnQuality Qualitätsleitsystems (QCS) inklusive Scanner und Sensoren für die neue Papierproduktionslinie des Unternehmens in Juiz de Fora, Brasilien, beauftragt. Foto: Voith

In der Vergangenheit haben verschiedene Unternehmen mit Niederlassungen und Vertriebspartnerschaften auf dem Mercosur-Markt Fuß gefasst. Ein Beispiel bietet die VAG Gruppe, die nach der erfolgreichen Übernahme von RTS ein zweites Unternehmen in Brasilien erworben hat – FKB Equipamentos Industriais Ltda. Damit stärkt die VAG nicht nur die Präsenz auf dem wichtigen brasilianischen Markt, sondern erweitert auch das Portfolio und die Fähigkeiten für kundenspezifische Plattenschieber und gehäuselose Armaturen. FKB selbst wurde 2000 gegründet und hat sich auf die Entwicklung und Herstellung von Plattenschiebern und gehäuselose Armaturen für die Bereiche Wasser, Abwasser, Zellstoff und Papier, Chemie und Petrochemie, Staudämme und Wasserkraft sowie Bergbau spezialisiert und bietet Komplettlösungen an – von der Entwicklung bis zur Installation einschließlich Kundendienst.

Übernahmen und Niederlassungen im Mercosur-Markt

Nach einer 21-jährigen Partnerschaft als exklusiver Händler im brasilianischen Markt wurde Bermo vor einigen Jahren Teil der ARI-Armaturen Gruppe. Bermo hatte sich einen Namen gemacht für das Regeln, Absperren, Sichern und Ableiten von flüssigen und gasförmigen Medien.

Bereits seit gut 50 Jahren ist Klinger in Brasilien tätig. Die Unternehmensgruppe hatte mit der Indústria Mecânica e Artefatos de Metais Parva Ltda. einen weiteren Hersteller von Armaturen übernommen.

AZ-Armaturen mit Stammsitz in Mönchweiler, Deutschland, verfügt bereits über ein Zweigwerk in Itatiba, in der Nähe von São Paulo, Brasilien. In modernen Produktionshallen werden die kompletten Armaturen in CNC-Bearbeitungszentren hergestellt. Angegliedert ist eine Feinguss-Gießerei. Von hier aus werden auch die Service-Niederlassungen in Maceió und Belem für den Einsatz bei den großen Industrieanlagen am Amazonas koordiniert.

Goetze hat bereits vor Jahren eine neue Vertriebsniederlassung in Rio de Janeiro, Brasilien, eröffnet. Goetze Válvulas Ltda. ermögliche auch Kunden in Lateinamerika „persönliche Kundenberatung in gewohnter Goetze Qualität“, betont das Unternehmen.

Es ließen sich noch zahlreiche Beispiele auflisten, die zeigen, wie groß die Bedeutung des Mercosur-Marktes für die Armaturen- und Anlagenbranche im deutschen sowie im EU-Markt ist. Für alle, die bereits Handel mit den Ländern Südamerikas betreiben oder noch auf den Markt streben, ist das Handelsabkommen eine richtig gute Nachricht.

Auch Valmet hat Südamerika im Fokus. Foto: Valmet
Michael Vehreschild
Michael betreut die Armaturen Welt als Redakteur. Als ausgebildeter Journalist beschäftigt er sich bereits seit vielen Jahren mit der Industrie und ihren Herausforderungen. Er weiß um die Themen, die die Armaturenbranche beschäftigt, und durchleuchtet sie in seinen Hintergrundberichten und Interviews.

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