Schiffstreibstoff aus Abwasser für mehr Klimaneutralität

Rund 80 000 Klärwerke gibt es in Europa – und damit viel Potenzial für ein neuartiges, klimaneutrales Verfahren, um die Allzweckchemikalie Methanol zu produzieren. Das am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) gegründete Start-up ICODOS hat gemeinsam mit Partnern eine Anlage im Mannheimer Klärwerk errichtet, die anfallendes Biogas reinigt und mit grünem Wasserstoff zu einem klimaneutralen Schiffstreibstoff umwandelt. Zentraler Bestandteil dieser Anlagen sind Armaturen.

Die Schifffahrt ist nach Schätzungen der Internationalen Seeschifffahrts-Organisation für rund drei Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich. Um das zu ändern, werden dringend umweltfreundliche Alternativen zu den herkömmlichen fossilen Treibstoffen benötigt. Ein Konsortium bestehend aus dem Institut für Mikroverfahrenstechnik und dem Institut für Automation und Angewandte Informatik des KIT, der Ausgründung ICODOS sowie dem Eigenbetrieb Stadtentwässerung Mannheim hat eine Demonstrationsanlage in Betrieb gesetzt, die Abwasser als Ressource nutzt, um klimaneutrales Methanol als zukünftigen Schiffstreibstoff herzustellen.

Gemeinsame Eröffnung der Anlage „Mannheim 001“ mit (v.l.) David Strittmatter, Geschäftsführer und Mitgründer ICODOS; Alexander Mauritz, Eigenbetriebsleiter Stadtentwässerung; Dr. Volker Wissing, Bundesminister; Christian Specht, Oberbürgermeister der Stadt Mannheim; Prof. Diana Pretzell, Erste Bürgermeisterin der Stadt Mannheim sowie Dr. Fracisco Vidal Vázquez, Geschäftsführer und Mitgründer ICODOS. © ICODOS GmbH

Klimafreundliche Kraftstoffe bei der Schifffahrt auf der Wunschliste

„Neben der Elektrifizierung und wasserstoffbasierten Antrieben brauchen wir klimafreundliche Kraftstoffe, insbesondere in der maritimen Schifffahrt“, erklärte Dr. Volker Wissing, Bundesminister für Digitales und Verkehr, der den Startknopf drückte. Deutschland sollte bei der Erforschung und Entwicklung eine Vorreiterrolle einnehmen. „Darin liegt ein Wachstumsmarkt der Zukunft.“ Es gehe auch darum, Deutschland unabhängig von Energieimporten zu machen. „‚Mannheim 001‘ zeigt, wie Wirtschaftlichkeit und Klimaschutz Hand in Hand gehen können. Dieses Projekt kann beispielgebend für viele weitere Standorte in Deutschland und Europa sein.“

„Die neue Anlage demonstriert eindrucksvoll, wie Forschung und Unternehmergeist praxisnahe Lösungen für die nachhaltige Transformation unserer Wirtschaft hervorbringen können“, so Professor Thomas Hirth, Vizepräsident Transfer und Internationales des KIT. „Hier wird aus Biogas, das bei der Abwasserbehandlung anfällt, ein Wertstoff gewonnen – ein innovativer Ansatz, der zeigt, wie vorhandene Ressourcen intelligent und klimafreundlich genutzt werden können.“

Innovatives Verfahren nutzt Biogas

Die Demonstrationsanlage „Mannheim 001“ nutzt ein patentiertes Verfahren, um Biogas aus Abwasser in klimaneutrales Methanol umzuwandeln. Das im Klärwerk entstehende Biogas wird zunächst gereinigt. Anschließend reagiert das darin enthaltene CO₂ mit regenerativ erzeugtem Wasserstoff zu Methanol – einem vielseitig einsetzbaren Rohstoff, der als Schiffstreibstoff oder in der chemischen Industrie eingesetzt werden kann. „Mit unserer Technologie gewinnen wir aus einer vorhandenen Quelle einen hochwertigen Energieträger“, erklärt Dr. Vidal Vazquez, Mitgründer von ICODOS. „Allein in Deutschland könnten Kläranlagen jährlich mehrere Millionen Tonnen nachhaltiges Methanol produzieren.“ Durch die kompakte und skalierbare Bauweise eignet sich das Verfahren besonders für die dezentrale Umsetzung. „Das aktuelle Projekt zeigt, dass Kläranlagen als Herzstück einer nachhaltigen Kraftstoffproduktion dienen können – ein Potenzial, das bislang ungenutzt geblieben ist“, so Vazquez. ICODOS ist schon mit weiteren Kläranlagen im Austausch, um auch dort Produktionsanlagen zu errichten.

ICODOS entwickelt vollintegrierte, vollautomatische und dynamisch betriebene E-Methanol-Anlagen. Foto: KIT

Zunächst ist umweltfreundlicheres LNG im Blickpunkt

Klimaneutraler Schiffstreibstoff ist bereits seit einigen Jahren im Fokus der Branche. Denn die Seeschifffahrt soll bis etwa 2050 klimaneutral sein – der Verband Deutscher Reeder (VDR) hatte diesen Entschluss der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation IMO als „echten Meilenstein“ gewertet. Auch die Zuliefererbranche betrachtet die Dekarbonisierung als Chance, denn die weltweite Flotte bietet großes Potenzial bei der Umrüstung. Und „die Schiffstechnik ist reif dafür“, erklärt der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA).

Die Schifffahrt – und damit auch der Schiffbau – ist eine bedeutende Branche. „Sie transportiert heute rund 90 Prozent aller Güter weltweit“, erläutert der VDR. Nun ist sie gefordert, die maritime Energiewende zu stemmen. Eine Mammutaufgabe, denn in Europa gibt es etwa 10.000 Seeschiffe und 15.000 Binnenschiffe, die zu modernisieren oder neuzubauen sind. Weltweit sind mehr als 100.000 Handels- und 25.000 Marineschiffe im Einsatz.

Die Kurskorrektur ist einschneidend: Nachdem bisher Schiffsdiesel und Schweröl den Schiffsantriebsmarkt bestimmen, wird zunächst LNG die konventionellen Treibstoffe kontinuierlich verdrängen – auch forciert durch die geänderte geopolitische Lage. Zunächst wird das umweltfreundlichere LNG verstärkt als Schiffstreibstoff eingesetzt. Denn die Verwendung von Flüssigerdgas als Treibstoff hat laut Herose erhebliche Umweltvorteile: „geringe Emissionen von Kohlen- und Schwefeldioxid sowie Stickoxiden“. Für die Installation auf Schiffen bietet das Unternehmen zahlreiche Ventile, bei denen auch die wichtigen Anforderungen an die Feuersicherheit erfüllt sind.

Armaturen an Bord

An Bord lassen sich bei LNG Armaturen in vielen weiteren Anwendungen finden, unter anderem bei Frischwasser, Heißwasser, Kühlwasser und Prozesswasser sowie beim Brandschutz. Klimatechnik, Raumheizungen, Küchen und Schwimmbecken benötigen Ventile. Absperrklappen von Somas werden beispielsweise auf Produkten- und Chemikalientankern in Rohrleitungen der Schiffe eingesetzt, um unterschiedliche Ladungen während des Transports voneinander getrennt zu halten. Kugelhähne werden für die Dichtheitskontrolle genutzt.

Noch ist aber eher umweltfreundlicheres LNG bei der Schifffahrt im Fokus. Dagegen ist das Vorhaben, anfallendes Biogas zu reinigen und mit grünem Wasserstoff zu einem klimaneutralen Schiffstreibstoff umzuwandeln, Zukunftsmusik. Aber manchmal wird die Zukunft bekanntlich schneller als man denkt zur neuen Gegenwart. Und auch dann wird die Armaturenbranche mit ihren Komponenten wieder an Bord sein…

Das Bunkerschiff Kairos versorgt im Brunsbütteler Elbehafen den Laderaumbagger Scheldt River mittels Schiff-zu-Schiff Transfer mit LNG. Ein weiteres Indiz dafür, dass der LNG-Bedarf kontinuierlich steigt. Quelle: Brunsbüttel Ports
Michael Vehreschild
Michael betreut die Armaturen Welt als Redakteur. Als ausgebildeter Journalist beschäftigt er sich bereits seit vielen Jahren mit der Industrie und ihren Herausforderungen. Er weiß um die Themen, die die Armaturenbranche beschäftigt, und durchleuchtet sie in seinen Hintergrundberichten und Interviews.

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