Offene Datenkommunikation revolutioniert die Messtechnik

Die Messtechnik nimmt bei der Realisierung von Industrie 4.0 eine Hauptrolle ein – diese digitale Transformation gilt es zu meistern, eine Technologieoffenheit ist Pflicht. Einer innovativen Messtechnikbranche dürfte also eine erfolgreiche Zukunft bevorstehen. Derweil zeigt sich Branche konjunkturell robust – auch wenn sie im zweiten Quartal ein Umsatzminus von drei Prozent erwirtschaftete, verglichen mit dem Vorquartal. Dennoch bleibt die Stimmung bei der Messtechnikbranche positiv, für das dritte Quartal wird ein Umsatzplus von drei Prozent erwartet.

Die im VDMA-Arbeitskreis im Fachverband Mess- und Prüftechnik entwickelte Schnittstelle OPC UA GMS (Geometrische Messsysteme) soll den Weg zur herstellerneutralen Kommunikation beim Messen freimachen. Ihre digitale Transformation steht und fällt laut dem Arbeitskreis mit der Schnittstelle OPC UA GMS.

„Die Qualität hängt von der Genauigkeit des Instruments ab“, zitiert der VDMA-Arbeitskreis Henry Ford I. Der Autopionier, der mit Frederick Winslow Taylor vor über einem Jahrhundert das Qualitätsmanagement erfand, wäre sicherlich erstaunt über die Präzision heutiger digitaler Messtechnik. Zumal sie sich von seinem Qualitätsmanagement erheblich unterscheide, denn damals wurde erst am Ende des Produktionsprozesses gemessen. An seine Stelle trat das frühzeitige Messen im Prozess (Inline-Messung). Dank der Kommunikation von Messergebnissen oder Korrekturwerten an Werkzeugmaschinen können Unternehmen seitdem die Abläufe ihre Qualitätssicherung optimieren und die Produktivität signifikant steigern. „Hier kommen die offenen, herstellerneutralen Schnittstellen OPC UA GMS und I++ DME ins Spiel, die für effizienten und präzisen Datenaustausch zwischen verschiedenen Maschinen und Herstellern sorgen und so die Tür zur Integration der Messtechnik in die digitale Fabrik öffnen“, erklärt der Arbeitskreis.

Datenzugang vereinfacht und standardisiert

Die Bedeutung der Standardisierung betont Tiberiu Dobai, Product Owner Metrology Software bei der Carl Zeiss Industrielle Messtechnik GmbH aus Oberkochen, die sich in vielen entsprechenden Gremien wie dem VDMA-Arbeitskreis OPC UA GMS engagiert: „Nach der erfolgreichen Verabschiedung der ersten Version der OPC UA Companion Specification für die geometrischen Messsysteme (OPC UA GMS), bei der Zeiss den Vorsitz der Joined Working Group hatte, liegt der Fokus auf der technischen Umsetzung dieser ersten Version. Ein Beispiel dafür ist der neue Zeiss Data Hub, der Kunden einen einfachen und standardisierten Zugang zu Maschinendaten ermöglicht.“

Das neue Produkt arbeitet zusammen mit Koordinatenmessgeräten und dem „umati.app Dashboard“, das Maschinendaten in einer zentralen, benutzerfreundlichen Oberfläche darstellt. Die einheitliche Schnittstelle umati („Universal Machine Technology Interface“) von VDMA und VDW vereinheitlicht die digitale Kommunikation in der Produktionstechnik. Dazu nutzt sie OPC UA als Kommunikationsprotokoll, um Maschinendaten zu sammeln und zu übertragen.

Ohne Messtechnik ist der Betrieb von Anlagen kaum mehr denkbar – entsprechend zeigt sich Branche konjunkturell robust – auch wenn sie im zweiten Quartal ein Umsatzminus von drei Prozent erwirtschaftete, verglichen mit dem Vorquartal. Foto: Pixabay

Ein Beispiel für den Mehrwert, den eine standardisierte und transparente Datenkommunikation bietet, sei ein Datenpaket für die Berechnung der „Overall Equipment Effectiveness“ (OEE). Dobai: „Die bereitgestellten Daten ermöglichen es den Kunden, die Auslastung und Nutzung der einzelnen Maschinen zu berechnen und zu optimieren. Die geschaffene Transparenz ermöglicht den Kunden eine ressourceneffiziente Fertigung.“

Gemeinsame Sprache für geometrische Messsysteme

Auch die Mahr GmbH aus Göttingen ist von Beginn an aktives Mitglied im VDMA-Arbeitskreis. „Trotz der Vielfalt der geometrischen Messsysteme ist es uns gelungen, eine gemeinsame Sprache für sie zu finden“, erklärt Dr. André Schella, Data Scientist bei Mahr. Die Göttinger haben den Standard nach der Veröffentlichung im Mai 2023 in einen umati-Showcase implementiert.

Der Data Scientist bezeichnet besonders OPC UA GMS als Schlüsseltechnologie für die Umsetzung von Industrie 4.0. Für ihn ist es jedoch nicht nur wichtig, dass Messmaschinen auf gleiche Art und Weise mit ihrer Umgebung kommunizieren können: Vielmehr gehe es auch darum, „eine nahtlose Integration der Maschinendaten entlang der vertikalen Wertschöpfungskette zu ermöglichen“.

Messschieber und Messmaschine: Anbindung an umati-Dashboard

OPC UA erlaube außerdem ein kontinuierliches Monitoring des Produktionsprozesses und mache so Produktionsabläufe transparenter. Die positiven Effekte laut Schella: „Feedback kann an die Produktionsmaschinen gesendet werden, um effizienter zu produzieren, was zu weniger Ausschuss und geringeren Prozesskosten führt.“ Wie es in der Praxis bereits funktioniert, erfuhren Interessierte auf dem Mahr-Messestand auf der EMO Hannover 2023: Dort führten die Göttinger den Funk-Messschieber MarCal 16EWRi und die Zylinder-Koordinaten-Messmaschine Mar4D vor, die beide mit dem umati-Dashboard verbunden sind.

„Die Einführung von OPC UA soll den Arbeitsalltag unserer Kunden signifikant erleichtern“, begründet Prof. Dr. Heiko Wenzel-Schinzer, Geschäftsführer und Chief Digital Officer (CDO) der Wenzel Group GmbH & Co. KG aus Wiesthal die aktive Mitarbeit im VDMA-Arbeitskreis. „Durch die einheitliche Sprache und die standardisierten Kommunikationsprotokolle wollen wir unseren Messlösungen ermöglichen, problemlos mit verschiedenen Maschinen und Systemen zu interagieren. Dies gewährleistet eine effizientere Datenintegration und erleichtert beispielsweise die Fehlerdiagnose sowie die Wartung der Anlagen.“

Messtechnik aller Art in Produktionslinie integriert

So gelang es dem Unternehmen in einem Standardisierungsprojekt dank OPC UA, verschiedene Messgeräte und -systeme in eine Produktionslinie zu integrieren. „Die automatisierte Überwachung, Kontrolle und Kalibrierung der Messsysteme in Echtzeit ermöglichen es uns, schnell auf Abweichungen oder Probleme zu reagieren“, erklärt der CDO Prof. Schinzer. Weitere Vorteile liegen in der frühzeitigen Erkennung möglicher Störungen und einer damit einhergehenden Reduzierung von Anlagenausfallzeiten durch gezielte Wartungsmaßnahmen.

Die Umsatzkurve für die Branchen Messtechnik und Sensorik zeigt meist nach oben. Quelle: AMA Verband für Sensorik und Messtechnik e.V. (AMA)

Zuversicht und positive Aussichten

Aktuell zeigt sich die Sensorik- und Messtechnikbranche zuversichtlich für das dritte Quartal, trotz der rückläufigen Auftragseingänge im zweiten Quartal 2023. Der AMA Verband für Sensorik und Messtechnik e.V. (AMA) hatte seine rund 450 Mitglieder zur wirtschaftlichen Entwicklung im zweiten Quartal befragt. Die Branche erwirtschaftete nach eigenen Angaben im zweiten Quartal ein Umsatzminus von drei Prozent, verglichen mit dem Vorquartal. Damit blieb die Branche hinter den Erwartungen von plus minus null zurück. Vergleicht man die Umsatzentwicklung des zweiten Quartals 2023 jedoch mit dem des zweiten Quartals des Vorjahres, stieg der Umsatz der Sensorbranche um plus fünf Prozent. Bei den Auftragseingängen verzeichneten die AMA-Mitglieder im zweiten Quartal 2023 einen Rückgang von fünf Prozent, verglichen mit dem Vorquartal.

Es zeigen sich Unterschiede in der Umsatzentwicklung zwischen großen und kleineren Unternehmen, wobei größere Unternehmen einen stärkeren Umsatzrückgang verzeichneten als kleinere AMA-Mitglieder. Die Absatzmärkte in den Bereichen Sensorik und Messtechnik sowie Elektrotechnik entwickelten sich vergleichsweise gut. Die Absatzmärkte im Energiesektor und in der Bahntechnik gestalteten sich im zweiten Quartal als schwieriger.

„Unsere Mitglieder erklären sich den rückläufigen Umsatz im zweiten Quartal als Folge der Lieferengpässe während der Corona-Pandemie. Mit zunehmender Verfügbarkeit von Lieferungen haben ihre Kunden die Lieferbestände stark gefüllt und versuchen jetzt, diese wieder auf ein normales Niveau zu bringen“, erklärt Thomas Simmons, Geschäftsführer vom AMA Verband. „Deshalb bleibt die Stimmung unter unseren Mitgliedern positiv, sie rechnen im laufenden Quartal bereits wieder mit einem Umsatzplus von drei Prozent.“ Ein weiterer Pluspunkt für die Messtechnikbranche: Schreitet die Realisierung der Digitalisierung voran, dürfte sie die positiven Aussichten der Messtechnikbranche weiter kräftig fördern.

Messmaschinen sollen auf gleiche Art und Weise mit ihrer Umgebung kommunizieren können. Außerdem ist eine nahtlose Integration der Maschinendaten entlang der vertikalen Wertschöpfungskette ein Ziel. Foto: Pixabay
Michael Vehreschild
Michael betreut die Armaturen Welt als Redakteur. Als ausgebildeter Journalist beschäftigt er sich bereits seit vielen Jahren mit der Industrie und ihren Herausforderungen. Er weiß um die Themen, die die Armaturenbranche beschäftigt, und durchleuchtet sie in seinen Hintergrundberichten und Interviews.

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