Generative Künstliche Intelligenz (GenAI) kann die Produktivität und Profitabilität im Großanlagenbau beschleunigen. 84 Prozent der befragten Unternehmen stufen GenAI als wichtig oder sehr wichtig für ihre künftige Profitabilität ein. Den größten Hebel verorten 88 Prozent in der Reduktion von Kosten, während für den Umsatz kurzfristig nur begrenzte Effekte erwartet werden. Das zeigt eine neue Gemeinschafts-Studie der VDMA Arbeitsgemeinschaft Großanlagenbau (AGAB) zusammen mit Strategy&, der globalen Strategieberatung von PwC. Die Armaturenbranche hält mit dem Großanlagenbau Schritt und setzt zunehmend auf Künstliche Intelligenz.
Die Analyse der Gemeinschafts-Studie von VDMA Arbeitsgemeinschaft Großanlagenbau (AGAB) zusammen mit Strategy& untersucht Wirkungspotenziale, Reifegrade, Umsetzungshürden sowie konkrete Hebel zur Skalierung von GenAI im Anlagenbau. Die Ergebnisse basieren auf einer Befragung von 120 anlagenbauenden Unternehmen im deutschsprachigen Raum sowie der Analyse von 40 Anwendungsfällen in wertschöpfungsnahen Bereichen wie Einkauf, Produktion und Projektierung.
„Der Großanlagenbau steht unter Druck: Fachkräftemangel, steigende Serviceanforderungen und wachsende Kosten prägen den Alltag vieler Unternehmen. GenAI kann hier gleich mehrfach entlasten: sie steigert die Produktivität, senkt Kosten und gleicht fehlende Ressourcen aus“, erklärt Florian Stürmer, Partner bei Strategy& Deutschland. „Echten Wert entfaltet Generative KI aber erst, wenn sie in Kernprozesse integriert wird – nicht nur als Pilotprojekt, sondern als skalierbarer Hebel für messbares Wachstum.“

GenAI ermöglicht dem Anlagenbau erhebliche Profitabilitätspotenziale
Die Studie zeigt, dass GenAI erhebliche Profitabilitätspotenziale eröffnet. Im Durchschnitt erwarten die Unternehmen, ihre Gewinnmargen (Ebit) um 6,7 Prozentpunkte durch den skalierbaren Einsatz der Technologie steigern zu können. „Den größten Effekt sehen sie in der Optimierung und Automatisierung von Prozessen – vor allem dort, wo operative Exzellenz die Kostenbasis direkt beeinflusst.“ Besonders großes Potenzial entfalten Anwendungen im Engineering, in Vertrieb und Marketing sowie in der Entwicklung; sie adressieren sowohl Effizienzgewinne als auch finanzielle Erfolge.
KI wird im Anlagenbau bereits intensiv genutzt
Generative Künstliche Intelligenz wird im Anlagenbau bereits intensiv genutzt. 59 Prozent der Unternehmen setzen die Technologie in täglichen Prozessen und Arbeitsabläufen ein, weitere 35 Prozent planen den kurzfristigen Einsatz. Insgesamt erkennen damit 94 Prozent der Befragten das Potenzial dieser Technologie und investieren in die Umsetzung. Bei der auf einer breiteren Datenbasis aufbauenden Studie von VDMA Software und Digitalisierung und Strategy& aus dem November 2024 gaben 88 Prozent der befragten Maschinen- und Anlagenbauer an, GenAI nutzen zu wollen.
Nachholbedarf bei der Skalierung
Trotz der Dynamik in der Nutzung gelingt die Skalierung laut Studie bislang nur wenigen Firmen: „Lediglich 33 Prozent der bereits aktiven Unternehmen implementieren GenAI systematisch und übergreifend im gesamten Unternehmen.“ 11 Prozent beschränken sich auf einzelne Abteilungen, 23 Prozent verbleiben in Pilotprojekten. Implementiert werde vor allem in operativen Kernfunktionen wie Planung und Projektierung, Vertrieb und Marketing sowie Entwicklung – „dort, wo die Effekte auf Herstellkosten, Betriebsausgaben und Angebotsarbeit unmittelbar sichtbar werden“.
Hürden bei der Einführung von Künstlicher Intelligenz
Auf dem Weg zum breiten GenAI-Einsatz identifiziert die Studie mehrere Hürden. Erstens fehlen häufig spezifische Kompetenzen, wodurch Trainings-Programme erfolgskritisch werden. Zweitens mangelt es vielerorts an einer klaren strategischen Ausrichtung; „ohne Zielbild, klaren Wegmarken sowie eines gut gesteuerten Prozesses bleiben Investitionen fragmentiert“, heißt es in der Studie. Drittens bremsen technische Barrieren wie etwa die Verfügbarkeit und Qualität von Daten sowie eine unzureichende Infrastruktur die Geschwindigkeit und Skalierbarkeit. Viertens erschweren Widerstände in der Organisation und bei Sozialpartnern die Umsetzung, „weshalb ein frühzeitiges Stakeholder-Management und eine transparente Kommunikation entscheidend sind“.

GenAI muss zur Chefsache werden
Für eine erfolgreiche GenAI-Umsetzung empfiehlt die Studie, das Thema zur Chefsache zu machen: „Aktives Sponsoring durch das Top-Management sowie klare Verantwortlichkeiten in operativen Geschäftsbereichen und der IT sind essenziell.“ Unternehmen sollten Leuchtturmprojekte mit einem klaren Skalierungsplan priorisieren – Use Cases, die binnen drei bis sechs Monaten Wirkung zeigen und über vordefinierte Kriterien für Rollout und Transfer verfügen.
„Viele Unternehmen haben das Potenzial erkannt – doch zwischen Piloten und skalierten Effekten klafft noch eine Lücke“, sagt Dr. Harald Weber, Geschäftsführer der AGAB. „Wer jetzt die ‚Pilotfalle‘ verlässt, ein klares GenAI-Zielbild definiert und erfolgreiche Use-Cases konsequent in die Kernprozesse einbaut, kann seine Profitabilität substanziell steigern. GenAI muss zur Chefsache werden – mit Fokus auf messbare Wertbeiträge, nicht auf Einzelexperimente.“
KI zur effizienten Steuerung von Solarthermieanlagen
Auch die Armaturenbranche hat längst die Wichtigkeit von KI erkannt – und wird damit problemlos mit dem Großanlagenbau, der ein wichtiger Auftraggeber ist, standhalten können. So hatte beispielsweise Samson ein Forschungsprojekt „saM_soL“ auf Basis von Machine Learning (ML) gestartet, das eine verbesserte Nutzung erneuerbarer Energiequellen ermöglichen und einen Beitrag zur Energiewende in Deutschland leisten soll. Das Projekt konzentriert sich auf die Entwicklung eines selbstlernenden Algorithmus, der Netzeinspeise- und Übergabestationen, insbesondere für Solarthermieanlagen, optimieren soll.
Samson koordiniert das Projekt „saM_soL“ in Zusammenarbeit mit dem Forschungsinstitut Solites aus dem Steinbeis-Verbund und der Samson-Energietochter KT-Elektronik. Solites entwickelt unter anderem die notwendigen Algorithmen für das Machine Learning. Samson bringt seine Expertise in der Regeltechnik sowie seine langjährige Erfahrung in der Entwicklung hochmoderner Steuerungssysteme ein. Der Projektträger ist das Forschungszentrum Jülich (FZJ).
Steuerungen mit integriertem PID-Algorithmus
Ausgangspunkt des Forschungsprojektes „saM_soL“ bilden Steuerungen mit integriertem PID-Algorithmus (PID steht für proportional-integral-differenziell) zur Regelung von Prozessen in Wärmenetzen. Die Regelung der thermischen Solaranlage wird virtualisiert, und der so entstehende digitale Zwilling trainiert das zugrundeliegende Modell. Im Einsatz passt das ML-Modell die Regel-Parameter anlagenspezifisch und in Abhängigkeit von äußeren Einflüssen an. Später soll so die Steuerung sowohl zentraler als auch dezentraler Einspeisestationen für Wärmeerzeugungsanlagen mit schwankenden Energiequellen im laufenden Betrieb optimiert werden können.

„Die Nutzung von Künstlicher Intelligenz in der Regelungstechnik eröffnet neue Horizonte für effizientere und nachhaltigere Energieversorgung“, betont Samson. Dieses Pilotprojekt sei ein entscheidender Schritt in Richtung eines intelligenten Energiemanagements, das nicht nur die Effizienz steigere, sondern auch die Integration erneuerbarer Energien nahezu optimal ermögliche. Die Lösung werde am Ende Materialverschleiß und Temperaturschwankungen reduzieren und Ressourcen in den Heizkraftwerken bzw. Wärmeerzeugungsanlagen einsparen.
Prozesse noch intelligenter gestalten
Beispiel Chemieindustrie: Hier ist der zunehmende Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI) längst angekommen. Aktuell wird KI unter anderem in der Prozessüberwachung, der vorausschauenden Wartung und in der Qualitätskontrolle genutzt. „Durch den Einsatz von Algorithmen können Anomalien frühzeitig erkannt und Wartungsintervalle präzise berechnet werden“, betont die AS-Schneider Group. Dies führe nicht nur zu einer Reduktion von Stillstandzeiten, sondern optimiere auch den gesamten Produktionsprozess. Im Bereich der Armaturen biete KI die Möglichkeit, durch intelligente Datenauswertung Ausfallrisiken zu minimieren und die Performance der Anlagen zu verbessern.
Das Potenzial der Künstlichen Intelligenz ist immens – und wird die Prozesslandschaft auch weiter verwandeln. „Langfristig erwarte ich, dass KI die Art und Weise, wie wir Prozesse steuern, grundlegend verändern wird“, erklärt AS-Schneider. Die kontinuierliche Weiterentwicklung von Algorithmen werde es ermöglichen, Betriebsabläufe noch intelligenter zu gestalten, Risiken frühzeitig zu erkennen und somit eine signifikant erhöhte autonome Prozessoptimierung zu realisieren.
Für AS-Schneider bedeutet das, künftig drei zentrale Handlungsfelder rund um Künstliche Intelligenz weiter auszubauen: die Optimierung interner Abläufe – etwa mithilfe RAG-basierter Systeme –, den Ausbau des Wissensmanagements sowie KI rund um Produkte und Services.
KI für die präskriptive Wartungsvorhersage
Viele namhafte Armaturen sind aus Sicht von Emerson bereits heute konstruktiv weit fortgeschritten. Der Mehrwert erfolgt oft durch eine technologieunabhängige Automatisierung. „Das Potenzial dahinter ist gewaltig und wird sich in den kommenden Jahren durch die Interaktion von intelligenten Feldgeräten, Edge und Cloud als Teil einer grenzenlosen Automatisierung erst deutlich entfalten.“
Die Nutzung von künstlicher Intelligenz trägt laut Emerson bereits heute zu verbesserter Effizienz bei. So können Smart Valves mühelos mehrere tausende zeitgestempelte Events speichern. Klar ist – eine manuelle Auswertung durch ein reduziertes Servicepersonal sei sicherlich nicht die optimale Lösung. „Diese historischen Daten können bereits jetzt durch KI-unterstütze Algorithmen unterstützt werden“, betont Emerson. Dieses Zusammenspiel führe dann erst zu einer präskriptiven Wartungsvorhersage. Die Nutzung der vorhandenen Möglichkeiten und somit die Bedeutung werde signifikant steigen.
Fachpersonal nicht komplett ersetzbar
Aber es gibt aus Sicht von Emerson Grenzen der Machbarkeit. Eine komplett autonom arbeitende Prozessanlage sei nicht realisierbar. Fachpersonal vor Ort werde es also weiterhin immer geben. „Aber die Effektivitätssteigerung der Anlagen im Vergleich zu anderen Kontinenten ist bereits heutzutage entscheidend. Risiken entstehen in den Sektoren, die in Zukunft keinen Gebrauch davon machen und dadurch technologische und wirtschaftliche Nachteile haben werden.“ Eine Chance durch die KI-Nutzung in der Armaturentechnik gehe einher mit der gesamten Automatisierungspyramide, die dann das Intelligent Device Management bis zum Control System Interface und Enterprise OT einbeziehen. Emerson: „Zusammengefasst stehen die Chancen, dass unsere Armaturen ein noch aktives Bestandsteil dieser Boundless Automation werden, besser als dies jemals der Fall war.“

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