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Der Aufbau der Wasserstoffwirtschaft gilt als einer der Bausteine für eine erfolgreiche Energiewende und zieht daher zahlreiche Projekte nach sich. Von einem massiven Ausbau des Wasserstoffmarktes profitieren Umwelt, Gesellschaft und Industrie gleichermaßen. Aus Sicht der Armaturenbranche darf die H2-Wirtschaft zügig Tempo aufnehmen. Denn ihre Armaturen sind längst wasserstoffkompatibel.
Ein Beitrag von Michael Vehreschild.
Investitionen in Gas- und Atomstrom werden nun unter bestimmten Bedingungen als nachhaltig klassifiziert, hierfür stimmte das EU-Parlament. Dadurch werden Investitionen in neue Gaskraftwerke zur Strom- und Wärmeerzeugung als nachhaltige Übergangstechnologie definiert. „Um die Versorgungssicherheit sowie die Stabilität im Stromsystem zu gewährleisten, brauchen wir auch weiterhin gesicherte Leistung in Form von brennstoffbasierten Kraftwerken als Partner der Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien“, erklärt Kerstin Andreae, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung. Die EU-Entscheidung zu Gaskraftwerken ist aus ihrer Sicht also eine gute Nachricht. „Die Energiewirtschaft arbeitet intensiv daran, durch einen konsequenten Ausbau der Erneuerbaren Energien schnell unabhängig von fossilem Gas zu werden. Die aktuellen Probleme in der Gasversorgung machen dieses Ziel noch dringlicher. Jedoch wäre es falsch, die Schlussfolgerung zu ziehen, dass wir künftig auch keine brennstoffbasierte Gaskraftwerke mehr benötigen.“
Gaskraftwerke mit Wasserstoff
Andreae macht aber einen entscheidenden Unterschied: Die Zukunft liegt aus ihrer Sicht allerdings nicht beim Erdgas, sondern bei erneuerbaren Gasen, wie Biomethan und Wasserstoff: Mittel- und langfristig können Gaskraftwerke mit Wasserstoff oder Biomethan und damit klimaneutral betrieben werden. „Als gesicherte, regelbare Leistung in den Strom- und Wärmenetzen können mit erneuerbaren Gasen betriebene Gaskraftwerke dazu beitragen, die Versorgungssicherheit trotz Kohle- und Atomausstiegs zu gewährleisten, da sie zu Verbrauchsspitzen und während Zeiten mit wenig Stromerzeugung aus Windkraft- und Photovoltaikanlagen kurzfristig einspringen können.“ Es sei gut, so Andreae, dass eine Mehrheit im EU-Parlament die Bedeutung von Investitionen in solche wasserstoffbetriebenen Gaskraftwerke für die Umsetzung der Energiewende anerkennt.
Die strengen Kriterien, die der delegierte Rechtsakt an neue Gaskraftwerke anlegt, stellen ihrer Meinung nach sicher, dass die Kraftwerke bereits heute so geplant werden, dass sie zukünftig Wasserstoff als Energiequelle nutzen können. So unterliegen die betreffenden Gasaktivitäten strikten CO2-Schwellenwerten und müssen bis spätestens 2036 auf erneuerbare oder CO2-arme Gase umgestellt sein. Andreae: „Ein schneller Wasserstoff-Hochlauf ist nun wichtiger und dringender denn je.“
Wasserstoff statt Steinkohle
Entsprechend gibt es bereits Bewegung bei Wasserstoffprojekten. So soll innerhalb der nächsten vier Jahre im Überseehafen Rostock auf dem Gelände des Steinkohlekraftwerks eine 100-Megawatt-Produktionsanlage für die Erzeugung von grünem Wasserstoff entstehen. Die Elektrolyseanlage ist das Herzstück des Projektes „HyTech Hafen Rostock“. „Ziel ist der Auf- und Ausbau einer nachhaltigen und grünen Produktions- und Verteilungsstruktur für Wasserstoff“, erklärt der Energiekonzern RWE, der gemeinsam mit EnBW Neue Energien GmbH, RheinEnergie AG und der ROSTOCK PORT GmbH das Unternehmen rostock EnergyPort cooperation GmbH gründete, in einer Mitteilung.
Der erforderliche Strom soll aus Erneuerbaren Energien, wie zum Beispiel Windkraftanlagen auf See und an Land, bezogen werden. Jährlich sollen so bis zu 6.500 Tonnen Wasserstoff klimaneutral im Überseehafen Rostock erzeugt, in ein überregionales Verteilnetz (Wasserstoff-Startnetz) eingespeist und lokalen Verbrauchern zur Verfügung gestellt werden. Die Investitionen liegen im dreistelligen Millionenbereich und sollen mit Hilfe von Fördermitteln getätigt werden.
Erdgasnetz wird auf Wasserstoff umgestellt
Aber es gibt noch großen Klärungsbedarf bei der Nutzung von Wasserstoff. Auch hiermit müssen sich Projekte beschäftigen. Das geschieht beispielsweise beim Forschungsprojekt H2Direkt, bei dem Energie Südbayern (ESB) und Thüga ein bestehendes Erdgasnetz der Energienetze Bayern auf hundert Prozent Wasserstoff umstellen. „Im Pilotprojekt H2Direkt wird die Zukunftsfähigkeit der Gasnetzinfrastruktur aufgezeigt. Die ersten Meilensteine sind erreicht“, erläutert die Thüga AG. Das Projekt kommt einem Feldtest gleich: Insgesamt sollen zehn Haushalte und ein Gewerbekunde über einen Zeitraum von zunächst 18 Monaten mit hundert Prozent Wasserstoff versorgt werden.
Aktuell befindet sich H2Direkt in der Konzeptionierungsphase. Die Umbaumaßnahmen sind laut Energie Südbayern (ESB) und Thüga für das kommende Jahr geplant, die Wärmeversorgung mit hundert Prozent Wasserstoff startet zur Heizperiode 2023/24. Eingesetzt werden soll ausschließlich grüner, klimaneutraler Wasserstoff.
Importterminals für Wasserstoff
Die Logistik muss auch im Großen stimmen. Sie wird etwa vom Port of Rotterdam in den Fokus genommen. Der Rotterdamer Hafen kann mit dem Cluster der hier tätigen Unternehmen und in Zusammenarbeit mit den exportierenden Ländern Nordwesteuropa im Jahr 2030 mit mindestens 4,6 Millionen Tonnen Wasserstoff versorgen. Die Nutzung von 4,6 Millionen Tonnen Wasserstoff bedeutet eine CO2-Reduzierung von 46 Millionen Tonnen „und steigert somit die Energieunabhängigkeit Europas“, heißt es in einer Mitteilung von Port of Rotterdam.
Im Blickpunkt des Rotterdamer Hafens sind auch Importterminals für Wasserstoff: Gasunie, HES International (HES) und Vopak arbeiten gemeinsam an der Entwicklung eines Importterminals für grünes Ammoniak als Wasserstoffträger. Air Products und Gunvor Petroleum Rotterdam (GPR), eine Tochtergesellschaft der Gunvor Group (Gunvor), unterzeichneten eine Entwicklungsvereinbarung für ein Importterminal in Rotterdam. Und OCI verdreifacht die Kapazität seines Ammoniak-Terminals im Europoort. „Mit dieser Zusammenarbeit nehmen diese Parteien den weltweit wachsenden Bedarf an der Einfuhr und Speicherung von grüner Energie vorweg“, erklärt Port of Rotterdam.
Wasserstofftaugliche Armaturen
Entwicklungen, die zeigen, wie sehr der Wasserstoffmarkt in Bewegung ist. Die Armaturenbranche reagiert hierauf – und das schon seit Längerem. So hat RMA Rheinau eigene Armaturen auf 100-prozentige Wasserstofftauglichkeit erfolgreich geprüft. Mittlerweile hat das Unternehmen einige Produkte für den Einsatz mit 100-prozentigem Wasserstoff geliefert. Und hier wartet weiteres, noch auszuschöpfendes Potenzial auf das Unternehmen. Denn auch Wasserstoff gehört die Zukunft. Außerdem baut die RMA momentan den weltweit ersten Wasserstoff-Prüfstand in dieser Größenordnung am Standort in Rheinau. Das Unternehmen plant, dass der H2-Loop, auf dem Gaszähler mit 100 Prozent Wasserstoff geprüft und geeicht werden können, im dritten Quartal 2022 abgeschlossen sein wird, sodass er danach zu Forschungs-, Erprobungs- und Kalibrierungszwecken zur Verfügung gestellt werden kann.
Erhebliche Steigerungsraten werden erwartet
Wasserstoff ist aktuell ein großes Thema, das stellt auch die Waldemar Pruss Armaturenfabrik durch Anfragen von Anwendern fest. Daher bietet das Unternehmen spezielle Armaturen für Wasserstoffanwendungen an, die auf der einen Seite alle Normen und Standards erfüllen, auf der anderen Seite aber völlig auf wartungsanfällige Komponenten aus Elastomeren verzichten. Ein großer Meilenstein ist für Pruss die kategorische Weiterentwicklung seiner seit Jahrzehnten bewährten Wasserstoffarmaturen. Das Unternehmen erwartet hier erhebliche Steigerungsraten im Upgrade und Neugeschäft für Brennstoffarmaturen.
Das Wasserstoffmarkt wird also für die Armaturenbranche zukünftig noch stärker in den Fokus rücken. Denn er hat ein sehr hohes, attraktives Entwicklungspotenzial, dem sich Unternehmen kaum widersetzen können.
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