Bereit für den Wasserstoff-Hochlauf

Foto: Hartmann Valves GmbH

Die Zeit drängt – Deutschland muss Tempo machen, um die Energieversorgung zu sichern und den Klimaschutz voranzutreiben. „Um unabhängig von fossilen Energieträgern und damit auch von Gasimporten aus Russland zu werden, brauchen wir den schnellen Hochlauf einer Wasserstoffwirtschaft“, erklärt Kerstin Andreae, Vorsitzende des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), Hauptgeschäftsführung. Dies könne nur gelingen, wenn zügig die passende Leitungs- und Speicherinfrastruktur geschaffen würde. Bereit für den erforderlichen Hochlauf ist auch die Armaturenbranche.

Ein Beitrag von Michael Vehreschild.

Für Anpassung und Ausbau der Infrastruktur fordern Unternehmen allerdings eine Planungssicherheit, um guten Gewissens investieren zu können. Daher erwartet Inga Posch, Geschäftsführerin der Vereinigung der Fernleistungsnetzbetreiber Gas (FNB Gas), anlässlich der Veröffentlichung des Energiewirtschaftsberichtes EnWG-H2 2022 jetzt „dringend eine gesetzliche Verankerung der integrierten Netzplanung Gas (Wasserstoff und Methan). Damit unsere Umstellungs- und Aufbauvorschläge auch von der Bundesnetzagentur bestätigt und dann umgesetzt werden können“.

Kerstin Andreae, Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung und Mitglied des Präsidiums beim BDEW. ©Trutschel/BDEW

In das gleiche Horn bläst Prof. Dr. Gerald Linke, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfaches (DVGW). Ein entschlossenes Handeln der Politik sei gefragt, damit alle Beteiligten in einem verlässlichen Ordnungsrahmen planen und investieren könnten. „Im Koalitionsvertrag der Ampelregierung wurde Wasserstoff eine tragende Rolle zugeschrieben. Aus Ankündigungen müssen jetzt verbindliche Zusagen werden.“

Gasversorgung in weiten Teilen wasserstofftauglich

Eine klimaneutrale Energiewende gelingt mit einer funktionierenden Wasserstoffinfrastruktur. „Die Voraussetzungen hierfür sind hervorragend, denn weite Teile der bestehenden Gasversorgung aus Transport- und Verteilnetzen sowie Endgeräten sind bereits wasserstofftauglich oder können H2-ready gemacht werden“, betont Linke. Das schmälere die Ausgaben für den notwendigen weiteren Zubau. Eine gute Nachricht.

Und das Potenzial von Wasserstoff ist groß. Das belegt auch die Studie „Wasserstoff speichern – soviel ist sicher“, die ein Beraterkonsortium unter der Leitung des Gastechnologischen Instituts gGmbH (DBI-GTI) im Auftrag von INES, des BVEG und des DVGW erarbeitet hat. Wasserstoff bietet die Möglichkeit, Strom aus volatilen erneuerbaren Energien zu speichern und je nach Bedarf wieder zur Verfügung zu stellen. Heutige Gasspeicher können für die Speicherung von rund 32 Terawattstunden Wasserstoff umgerüstet und genutzt werden. „Damit für das Erreichen der Treibhausgasneutralität aber ausreichende Energiemengen gespeichert werden können, ist der Zubau von weiteren Wasserstoffspeichern mit einer Kapazität von bis zu 41 TWh notwendig“, heißt es in einer Mitteilung des DVGW.

Zahlreiche Studien würden zeigen, dass es schon ab 2030 ausreichend Wasserstoff geben werde, „die Infrastruktur kann mit vergleichsweise wenig Aufwand umgerüstet werden und die Gastechnologien und Anwendungen sind auf dem Weg H2-Ready zu werden“ – eine Entwicklung, die die Armaturenbranche für ihre Komponenten bestätigen kann. Neben einer vollständigen Ausschöpfung der Potenziale bestehender Gasspeicher ist für das Gelingen der Energiewende voraussichtlich auch ein Zubau von Wasserstoffspeichern erforderlich.

Forderung nach mehr Planbarkeit
Ausgehend von den Ergebnissen der Langfristszenarien des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) beschreibt die Studie, welche Kosten bei der Umwidmung heutiger Gasspeicher zu Wasserstoffspeichern und durch den Neubau von Wasserstoffspeichern über die Zeit bis hin zur Treibhausgasneutralität entstehen könnten. Die Studienergebnisse zeigen, dass kumulierte Investitionen von bis zu 12,8 Milliarden Euro notwendig sein könnten, um für die Energiewende erforderliche Wasserstoffspeicher zu entwickeln.

Erkennbar ist, dass die Unternehmen aber, wie bereits erwähnt, auf mehr Planbarkeit setzen. Der Nationale Wasserstoffrat (NWR) hält es für „zwingend notwendig, dass die Bundesregierung noch in diesem Jahr die klaren Rahmenbedingungen schafft, um den Aufbau von Wasserstoffinfrastruktur und Lieferketten, die industrielle Produktion von klimaneutralem Wasserstoff und seinen Derivaten sowie die industrielle Transformation und die Nutzung im Transport anzureizen.“ In ihrem Papier zur Überarbeitung der Nationalen Wasserstoffstrategie (NWS) beschreiben die Experten fünf Maßnahmen, die aus ihrer Sicht mit hoher Priorität umzusetzen sind.

Eine klimaneutrale Energiewende gelingt mit einer funktionierenden Wasserstoffinfrastruktur. Foto: Pixabay

Zu den Maßnahmen gehört die Schaffung eines Zertifizierungs- und Handelssystems zur Etablierung eines liquiden Wasserstoffmarktes sowie ein zügiger Auf- und Ausbau der Wasserstoffinfrastruktur. Wichtig sei auch ein rascher Hochlauf der Verfügbarkeit von klimaneutralem Wasserstoff und seiner Derivate durch einheimische Erzeugung und insbesondere durch frühzeitige Importe aus dem europäischen und außereuropäischen Ausland und die Schaffung eines kohärenten (Förder-)Rahmens zum Aufbau von Absatzmärkten für Wasserstoff.

Eile ist geboten: Laut NWR werden klimaneutraler Wasserstoff und seine Derivate dabei eine tragende Rolle spielen. Bereits ab der zweiten Hälfte der 2020er-Jahre können klimaneutraler Wasserstoff und seine Derivate einen signifikanten Beitrag sowohl zur Diversifizierung der Energieimporte als auch zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit liefern. Immer wieder angemahnt wird auch eine direkte Risikoabsicherung des Staates mit Blick auf das Risiko der Markthochlaufphase.

Prüfung der H2-Tauglichkeit

Die Armaturenbranche ist jedenfalls bereit für den Umbruch. So bietet beispielsweise Hartmann Valves Spezialarmaturen, die dem anspruchsvollen Medium Wasserstoff gewachsen sind. Im Zuge der Energiewende wird Wasserstoff zunehmend auch in anderen Anwendungsfeldern vorkommen – von der Strom-Erzeugung (wie Power-to-Gas), über den Transport (in Erdgasnetzen oder Wasserstoff-Pipelines) bis hin zur Verarbeitung und Mobilität. „Die Untergrundspeicherung von Wasserstoff in Kavernen stellt eine umweltfreundliche Lösung dar, um zukünftig große Energiemengen zum Ausgleich zwischen Erzeugung und Bedarf zu speichern“, betont Hartmann Valves.

Das anspruchsvolle Medium Wasserstoff wird zukünftig in immer mehr Anwendungsfeldern zum Einsatz kommen. „Um einen sicheren Betrieb zu gewährleisten, müssen alle Komponenten, die mit Wasserstoff in Berührung kommen, entsprechend geeignet und dicht sein“, erläutert Hartmann Valves. Einzusetzende Armaturen und Bohrlochköpfe müssten daher hinsichtlich der Materialeignung der metallischen Werkstoffe geprüft sowie auf ihre Dichtheit getestet und entsprechend ausgewählt werden. Hartmann bietet die beiden Wasserstoff-Prüfungen sowohl für Hartmann Kugelhähne und Bohrlochköpfe als auch für Produkte anderer Hersteller an.

Die H2-Tauglichkeit zu prüfen, wird in der künftigen Entwicklung eine hohe Priorität genießen. Daher investiert zum Beispiel RMA in einen großen Wasserstoff-Prüfstand am Standort in Rheinau. Auf dieser Wasserstoff-Prüfstrecke sollen zukünftig Gaszähler mit hundert Prozent Wasserstoff geprüft und geeicht werden können. „Wir planen, dass der Bau des Prüfstands im dritten Quartal 2022 abgeschlossen sein wird, so dass er danach zu Forschungs-, Erprobungs- und Kalibrierungszwecken zur Verfügung gestellt werden kann“, betont RMA.

Jetzt muss also die Politik noch weitere wichtige Rahmenbedingungen setzen, damit Wasserstoff nicht nur der Stoff ist, aus dem die Träume einiger Experten sind…

Ein Drucktest mit Wasserstoff – wie hier bei Hartmann Valves – bietet Sicherheit, dass die Grenzwerte eingehalten und flüchtige Emissionen minimiert werden. Foto: Hartmann Valves GmbH
Michael Vehreschild
Michael betreut die Armaturen Welt als Redakteur. Als ausgebildeter Journalist beschäftigt er sich bereits seit vielen Jahren mit der Industrie und ihren Herausforderungen. Er weiß um die Themen, die die Armaturenbranche beschäftigt, und durchleuchtet sie in seinen Hintergrundberichten und Interviews.

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Michael Vehreschild
Michael betreut die Armaturen Welt als Redakteur. Als ausgebildeter Journalist beschäftigt er sich bereits seit vielen Jahren mit der Industrie und ihren Herausforderungen. Er weiß um die Themen, die die Armaturenbranche beschäftigt, und durchleuchtet sie in seinen Hintergrundberichten und Interviews.