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Ein gutes Resultat – in Anbetracht nicht enden wollender Engpässe, Preissteigerungen und Unwägbarkeiten – erzielte der deutsche Maschinenbau. Auch wenn der Auftragseingang im Maschinen- und Anlagenbau im August im Vergleich zum Vorjahr stagnierte. Mit Blick auf die Energieversorgung rückt nun die Tiefe Geothermie immer mehr in den Vordergrund.
Ein Beitrag von Michael Vehreschild.
Die Maschinen- und Anlagenbauer in Deutschland haben im August ihre Auftragsbücher in gleicher Höhe gefüllt wie im Vorjahresmonat – eine Stabilität, die Beobachter staunen und hoffen lässt. Aus dem Inland kamen laut VDMA zwar real 6 Prozent weniger Aufträge, doch die Auslandsbestellungen legten um 2 Prozent zu. „Unter dem Strich stagnierte der Auftragseingang damit im August. Das kann sich in Anbetracht nicht enden wollender Engpässe, Preissteigerungen und Unwägbarkeiten mehr als sehen lassen“, sagt VDMA-Chefvolkswirt Dr. Ralph Wiechers. Während die Nachfrage aus den Euro-Partnerländern im Berichtsmonat auf ein Plus von 23 Prozent kam, sank der Bestelleingang aus den Nicht-Euro-Ländern um 5 Prozent. Bei der Auslandsnachfrage spielten gegenläufige Basiseffekte eine Rolle.
Im weniger schwankungsanfälligen Drei-Monats-Zeitraum Juni bis August 2022 gingen die Bestellungen um insgesamt 8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zurück. Aus dem Inland kamen 11 Prozent weniger Orders, die Auslandsaufträge sanken um 6 Prozent, wobei die Euro-Länder 3 Prozent weniger bestellten und die Nicht-Euro-Länder 8 Prozent.
Denn Hoffnung auf Wachstum
Die deutschen Maschinen- und Anlagenbauer stellen sich auf spürbar härtere Wintermonate ein, können dabei aber immer noch auf Wachstum im laufenden und teilweise auch im kommenden Jahr bauen. Das zeigte sich bei einer VDMA-Blitzumfrage. Sorgen bereiten den Unternehmen steigende Energie- und Rohstoffpreise sowie die die Versorgungssicherheit mit Erdgas und Strom im eigenen Betrieb.
Die Unternehmen im Maschinen- und Anlagenbau stellen sich auf spürbar härtere Wintermonate ein, können dabei aber immer noch auf Wachstum im laufenden und teilweise auch im kommenden Jahr bauen. Zwar geraten Produktion und Lieferfähigkeit des Maschinen- und Anlagenbaus in Deutschland durch Preissteigerungen sowie die mangelnde Verfügbarkeit von Erdgas und Strom zunehmend unter Druck. Rund drei von vier Unternehmen erwarten aber trotz all der widrigen Umstände im laufenden Jahr ein nominales, wenngleich vornehmlich inflationsgetriebenes Umsatzwachstum. Für 2023 erwarten dies zwei von drei Maschinenbaubetrieben. Dies geht aus aktuellen Zahlen einer Blitzumfrage des VDMA hervor, an der 641 Mitgliedsunternehmen vom 20. bis 22. September teilnahmen.
„Doch die Aussichten verdüstern sich: 57 Prozent der Unternehmen, also mehr als jedes Zweite, erwartet eine Verschärfung der Situation in den nächsten sechs Monaten“, erläutert Wiechers. Sorgen bereiten den Unternehmen nicht nur steigende Energie- und Rohstoffpreise. Im Fokus stehen vor allem Schwierigkeiten, überhaupt die Versorgungssicherheit mit Erdgas und Strom im eigenen Betrieb zu gewährleisten. „Etwa zwei Drittel der Unternehmen, die auf der Suche nach einem Festpreisvertrag für Erdgas sind, werden mangels Angebots der Versorger nicht fündig. Bei Strom sind es sogar sieben von zehn Unternehmen. Nicht selten kann der kurzfristige Bedarf nur über den Spotmarkt gedeckt werden – zu volatilen Preisen und ohne vernünftige Planungssicherheit“, warnt Wiechers.
Energieeinsparung im eigenen Unternehmen
Als Reaktion auf die Probleme in der Energieversorgung haben rund neun von zehn Unternehmen verschiedene Ausweichmaßnahmen angestoßen. „Für 85 Prozent sind Einsparungen das erste Mittel der Wahl, um den Verbrauch im eigenen Unternehmen zu reduzieren. 36 Prozent weichen, wo immer möglich, auf andere Energieträger aus und fast jeder Dritte hat sein Einkaufsverhalten verändert. Doch auch die Vermeidung oder Verlagerung von energieintensiven Produktionsschritten ist für 16 Prozent der Unternehmen ein Thema“, sagt der VDMA-Chefvolkswirt.
Speziell auf die absehbare Verknappung der Gaslieferungen bereiten sich notgedrungen immer mehr Unternehmen konkret vor. „Die meisten Maschinenbauer prüfen zunächst, welche Möglichkeiten sie im eigenen Betrieb haben, beispielsweise die Installation elektrischer oder Öl-befeuerter Back-up-Systeme. Aber auch eine engere Abstimmung mit dem eigenen Netzbetreiber oder mit den Lieferanten sehen viele als adäquate Vorbereitungsmaßnahme an. Hier können Notfallpläne gestaffelt nach Reduktionsgrad der Gaslieferungen für Entlastung sorgen“, erläutert Wiechers.
Industrie begrüßt Energiepreisbremse
Die Energieversorgung bereitet der Industrie also erhebliche Sorgen. Immerhin sieht sie die Entscheidung der deutschen Bundesregierung für eine Energiepreisbremse positiv – aus ihrer Sicht also ein Lichtblick. „Das ist ein wichtiger Befreiungsschlag. Geklotzt und nicht gekleckert. Jetzt brauchen wir Tempo bei den Details, denn immer mehr Unternehmen stehen mit dem Rücken zur Wand“, erklärt Wolfgang Große Entrup, Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Chemischen Industrie. Die Chance für eine Atempause durch die Preisbremse müsse jetzt genutzt werden, um gemeinsam die Strukturen zu schaffen, „die uns durch die schwierigen nächsten beiden Winter bringen. Und dann mit voller Kraft aus der Krise“.
Derweil rücken verstärkt verschiedene Strategien und Quellen einer Energieversorgung in den Blick. Beispielsweise auch die Tiefe Geothermie, die in der Vergangenheit in Deutschland eher ein Schattendasein führte. Sie hat „als grundlastfähige und klimaneutrale Technologie das Potenzial, einen großen Teil des hiesigen Wärmebedarfs zu decken“, betont der Bundesverband Erneuerbare Energie e.V. Deshalb fordert ein Bündnis aus Energieverbänden die Politik dazu auf, ein Geothermie-Erschließungsgesetz zu erlassen, um den schnellen und verstärkten Ausbau der Tiefen Geothermie zu ermöglichen.
„Große Potenziale der Tiefen Geothermie nutzen“
Die aktuelle Energiekrise macht den Handlungsdruck vor allem im Wärmesektor deutlich. Deshalb appellieren der Energieeffizienzverband für Wärme, Kälte und KWK e. V. (AGFW), der Bundesverband Erneuerbare Energie e. V. (BEE), der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e. V. (BDEW), der Bundesverband Geothermie e. V. (BVG) und der Verband kommunaler Unternehmen e. V. (VKU) in einem gemeinsamen Positionspapier an die Politik, Rahmenbedingungen zu schaffen, um die großen Potenziale der Tiefen Geothermie in größerem Umfang nutzen zu können.
„Grüne Fernwärme ist der Katalysator für das Erreichen der Klimaziele in den Städten“, erklärt John Miller, stellvertretender Geschäftsführer des AGFW. „Geothermie spielt dabei eine zentrale Rolle, bleibt allerdings bisher oft in Planung und Bürokratie stecken. Das ist ein Luxus, den wir uns nicht länger erlauben können. Wir brauchen deutlich mehr Tempo in den Verwaltungs- und Genehmigungsverfahren sowie neue, umsetzungsorientierte Instrumente für einen deutschlandweiten Ausbau von Geothermie.“
„Die Geothermie muss als wichtige Säule der urbanen Wärmewende über Wärmenetze viel schneller und umfassender erschlossen werden als dies bisher der Fall war. Wir brauchen alle Optionen, um die Dekarbonisierung des Wärmesektors bis zum Jahr 2045 realisieren zu können“, macht die Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung, Kerstin Andreae deutlich. Klar sei auch, dass bei den Geothermieprojekten der Schutz des Grundwassers immer gewährleistet sein müsse.
„Wann, wenn nicht jetzt…“
„Um eine sichere und preisstabile Energieversorgung für uns und nachfolgende Generationen zu gewährleisten und um unsere Klimaziele zu erfüllen, brauchen wir die Geothermie. Mit ihrer Hilfe können wir große Teile unseres Nutzwärmebedarfs an Raumwärme und Warmwasser nachhaltig decken. Wann, wenn nicht jetzt, ist die Zeit, das riesige, unerschlossene Potenzial der Geothermie zu nutzen”, so BVG-Präsident und Technischer Geschäftsführer der Stadtwerke München, Helge-Uve Braun.
Derzeit gibt es in Deutschland 42 Tiefe Geothermieanlagen: Sei eine Erdwärmequelle erst einmal erschlossen, stelle sie preisstabil und nachhaltig Energie über Jahrzehnte zur Verfügung. Die Technologie ist skalierbar. Die Branche steht bereit. Der Schatz, der unter unseren Füßen liegt, muss nur gehoben werden.
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