Um ihre Klimaziele zu erreichen, hat die Europäische Kommission im Dezember 2019 den „European Green Deal“ vorgestellt. Im Zentrum der politischen Initiativen steht dabei der Energiesektor, der durch eine konsequente Wende hin zur Stromerzeugung mit erneuerbaren Energien umgebaut werden soll. Das alleine sei aber nicht ausreichend, sagt Professor Stefano Passerini, Direktor des Helmholtz-Institut Ulm (HIU), das vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und der Universität Ulm gegründet wurde.: „Um fluktuierende erneuerbare Energiequellen wie Wind und Sonne im großen Maßstab nutzen zu können, müssen wir außerdem entsprechende Energiespeicher bereitstellen.“

Neues Forschungskonsortium StoRIES

Eine Maßnahme im „Green Deal“ ist deshalb der Aufbau einer koordinierten Forschungs- und Entwicklungsarbeit in Europa – die nun unter anderem im neuen Forschungskonsortium StoRIES (Storage Research Infrastructure Eco-System) stattfinden soll. Forschende aus ganz Europa mit unterschiedlichen Forschungsschwerpunkten werden dabei in enger Kooperation mit der Industrie an hybriden Energiespeichertechnologien arbeiten. „Wir wollen die Entwicklung von neuen, innovativen und marktfertigen Speicherlösungen beschleunigen und haben dafür ein gemeinsames Ökosystem geschaffen“, so Passerini, der das Projekt koordiniert. „Die Zusammenführung von Know-how eröffnet Synergien, die oft unterschätzt werden. Die Politik gibt uns mit dem ‚European Green Deal‘ eine immense Hausaufgabe, die wir nur gemeinsam bewältigen können.“ Am 1. November 2021 werden die Arbeiten offiziell starten.

Das Areal von Jemgum wurde als Gasspeicherort gewählt, weil es durch die unterirdischen Salzstöcke für die Speicherung von Erdgas besonders gut geeignet ist.
Quelle: Erdgasspeicher Jemgum


Beschleunigte Entwicklung mit intelligenten Methoden

Das wichtigste technologische Ziel von StoRIES stellt die Entwicklung von zukünftigen Energiespeichern aller Art dar. Dabei setzt das Forschungskonsortium vor allem auf hybride Speichersysteme. „Wir benötigen leistungsfähige, ausdauernde, nachhaltige und kostengünstige Lösungen“, sagt Dr. Myriam Gil Bardají, die als Wissenschaftsmanagerin am KIT die Aktivitäten der Europäischen Energieforschungsallianz (EERA) betreut und an der Gründung von StoRIES mitgewirkt hat. „Allerdings ist keine einzige Energiespeichertechnologie momentan flexibel genug, um alle diese Kriterien zu erfüllen. Deshalb ist eine Kombination verschiedener Technologien erforderlich. So können wir Vorteile nutzen und Nachteile ausgleichen.“

Durch einen gemeinsamen Zugang zu erstklassigen Forschungsinfrastrukturen und -diensten sollen zudem Forschungshindernisse abgebaut und Innovationen vorangetrieben werden. Der Schwerpunkt der Forschung zielt auf die Verbesserung von Materialeigenschaften für aktuelle und künftige Anwendungen und die Optimierung der hybriden Energiespeichersysteme. „Ziel ist es außerdem, die Entwicklungszeiten für neue Technologien um den Faktor 10 zu verkürzen“, sagt Dr. Holger Ihssen vom Büro Brüssel der Helmholtz-Gemeinschaft, das zur Gründung des neuen Forschungskonsortiums beigetragen hat. „Wir wollen neue Innovationen schneller in den Markt bringen, sodass erneuerbare Energietechnologien auch schneller wettbewerbsfähig werden.“ Ermöglicht wird das unter anderem durch moderne Supercomputer, Automatisierungstechnologien und die Nutzung von Künstlicher Intelligenz (KI) zur zielgerichteten Materialentwicklung für Energiespeicher.

Darüber hinaus konzentriert sich StoRIES aber auch auf die Analyse soziotechnischer und ökologischer Aspekte. „Um die Umweltauswirkungen zu verringern, werden die neuen Speichertechnologien von Anfang an auf den schonenden Einsatz von Rohstoffen und auf ihre Wiederverwertbarkeit optimiert“, so Ihssen.

Neuer Schub

Mit dem Forschungskonsortium StoRIES soll die Entwicklung von innovativen hybriden Energiespeichersystemen beschleunigt werden.
Foto: Amadeus Bramsiepe, KIT


Transdisziplinäre Ausbildung für die Fachkräfte von Morgen

Die neue Allianz aus Energiespeicherforschung und Industrie will auch Verantwortung für die Ausbildung der nächsten Generation von Forschenden, Ingenieuren sowie Fachkräften übernehmen. Neben Schulungen für Unternehmen und Hochschulen sowie Kursen für junge Wissenschaftler soll diese Ausbildung dabei um ökologische, rechtliche, ökonomische und soziale Aspekte rund um Energiespeicher ergänzt werden. „Für einen Erfolg der Energiewende brauchen wir nicht nur die richtigen Technologien, sondern auch ein Verständnis der nichttechnischen Aspekte – etwa zu Fragen der öffentlichen Zustimmung, der rechtlichen Rahmenbedingungen und der Wirtschaftlichkeit“, sagt Dr. Olga Suminńska-Ebersoldt, Wissenschaftsmanagerin am HIU und eine der Initiatorinnen von StoRIES. „Durch ein gegenseitiges Verständnis über die Grenzen der heute oft sehr geschlossen agierenden Forschungsbereiche hinweg, wollen wir eine enge Zusammenarbeit erreichen.“ Gerade durch die Ausbildung der Fachkräfte von Morgen solle dieser transdisziplinäre Ansatz bei der Weiterentwicklung von Energiespeichertechnologien über die Laufzeit von StoRIES hinaus verstetigt werden.

StoRIES: Ökosystem für die Energiespeicherforschung

Das neue Konsortium besteht aus Technologieinstituten, Universitäten und Industrie mit insgesamt 17 Partnerinstitutionen und 31 assoziierten Beteiligten aus 17 Ländern, die alle über einen umfassenden Hintergrund in allen Energiespeichertechnologien (elektrochemische, chemische, thermische, mechanische und supraleitende Magnetspeicher) aufweisen. Mit dabei sind unter anderem die Mitglieder der Europäischen Energieforschungsallianz (EERA) und der Europäischen Vereinigung für Energiespeicherung (EASE), die den Kern des neuen Ökosystems bilden. Von der Europäischen Kommission wird StoRIES im Rahmen des Horizon2020 Programms zunächst für vier Jahre mit fast sieben Millionen Euro gefördert.

Armaturen für die Gasspeicherung

Bekanntlich wird die Gasspeicherung eine zentrale Rolle einnehmen, um das Projekt Energiewende abzusichern, denn sie ermöglicht, überschüssige Energie der erneuerbaren Energien – Wind und Sonne – in großem Maßstab chemisch in Form von Wasserstoff oder grünem Methan zu speichern und so den fluktuierenden Ausgleich sicherzustellen. Oder anders ausgedrückt: Wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint, gleicht Gas die Schwankungen der Erneuerbaren Energien aus. Erdgasspeicher sorgen für die stabile Verfügbarkeit und flexible Einsetzbarkeit des Energieträgers.
Allerdings fordern Gasspeicher die Komponenten heraus – und das nicht nur in Bezug auf die sichere Absperrung des Mediums Gas an sich. Gerade beim Öffnen und Schließen von Absperrarmaturen kommt es zudem zu hohen Strömungsgeschwindigkeiten. Die im Medium mitgeführten Verunreinigungen treffen mit extremer Geschwindigkeit auf den Dichtungsbereich der Armatur. Weichdichtende Systeme werden hierbei schnell beschädigt und undicht.
Wichtig sind eine störungsfreie Verfügbarkeit und ein sicherer Abschluss über mehrere Jahre. Die Armaturen müssten daher nicht nur gasdicht und zuverlässig, sondern auch in Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit wartungsarm und langlebig sein.

Fels in der Brandung

Beispielsweise Kugelhähne vom Typ TBV (Twin Ball Valve) werden beim Erdgasspeicher Wolfersberg eingesetzt. Sie bieten eine doppelte Leitungsabsperrung.
Quelle: Hartmann Valves


Power-to-Gas rückt in den Fokus

Zunehmend in den Fokus gerückt ist Power-to-Gas zum Ausgleich von Energieschwankungen aus Wind und Sonne. Power-to-Gas bedeutet, dass aus Energiestrom Gas wird. Power-to-Gas-Anlagen arbeiten mit einer Speichertechnologie, um erneuerbare Energien in das Energiesystem zu integrieren. Dabei wird überschüssiger Strom, zum Beispiel aus Windkraftanlagen, dazu genutzt, um im Elektrolyseverfahren aus Wasser Wasserstoff zu gewinnen. Unter Zugabe von Kohlendioxid könne der Wasserstoff in einem zweiten Schritt zu Methangas weiterverarbeitet werden. Das CO₂ kann aus industriellen Prozessen, Brauereien, aus Klärgasen, Ethanolindustrie, Biogasanlagen und – bearbeitet – aus der Umgebungsluft genutzt werden.

Zum Einsatz kommen Armaturen beispielsweise bei der Wasserelektrolyse, der Rückverwandlung von H2 zu Strom in Gaskraftwerken, bei der Einspeisung von Wasserstoff in das öffentliche Erdgasnetz, bei Tankstellen – inklusive Lieferlogistik –, bei der Methanisierung und bei Brennstoffzellen.

Armaturenbranche gefragt

Investitionen in Energiespeicher werden weiterhin mitentscheidend sein für das Gelingen der Energiewende. Das Engagement des europäischen Forschungskonsortiums StoRIES am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) soll nun also einen wichtigen Beitrag hierzu liefern und die Entwicklung von Energiespeichern fördern. Für eine spätere Realisierung der Energiespeicher werden auch wieder die Qualitätskomponenten und Services der Armaturenbranche eine wichtige Rolle spielen.

Fels in der Brandung Bild 8

Ein Blick auf die Verdichterhalle des VNG-Gasspeichers in Bad Lauchstädt.
Quelle: VNG

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