Erneuerbare Energien liegen bei einigen europäischen Ländern im Trend. Allerdings zeigen sie sich – je nach Wetterlage – als launische Diven. Um Engpässe zu vermeiden, werden die Netze daher zunehmend mit Strom aus Gas versorgt. Dabei gewinnen Gasspeicher an Bedeutung. Sie könnten sogar zukünftigauch überschüssige Energie aus den Erneuerbaren aufnehmen und sie bei Bedarf wieder einspeisen. Womit die Speicher in wechselhaften Zeiten so etwas wie der Fels in der Energie-Brandung sind.

Die Bohranlage zum Gasspeicher von Jemgum bei Nacht

Unstrittig ist, dass der Bedarf an Erdgas in Europa weiter steigt – gerade auch in Zeiten der Abkehr von der Atomkraft und CO2-intensiven Energieträgern. Lag der Erdgasverbrauch beispielsweise in Deutschland laut der Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen 2015 noch bei 20,9 Prozent am gesamten Energiemix, stieg er 2016 auf 22,6 Prozent. Damit gehört Gas mit einem Zuwachs von 9,5 Prozent zu den großen Gewinnern beim Primärenergieverbrauch, auf Platz 2 folgen die Erneuerbaren mit 2,8 Prozent.
EU wird mehr Gas importieren
Das Thema Gasversorgung beschäftigt – fast – ganz Europa. „Die Europäische Union wird zukünftig immer mehr Erdgas importieren müssen, um den heimischen Bedarf abzudecken. Damit steigt auch der Bedarf an zusätzlichen Erdgasspeichern“, erklären die Unternehmen Astora und EWE, Projektpartner beim Erdgasspeicher Jemgum.
Um das Projekt Energiewende abzusichern, wird die Gasspeicherung eine zentrale Rolle einnehmen, „weil sie die einzige Möglichkeit darstellt, überschüssige Energie der erneuerbaren Energien – Wind und Sonne – im großem Maßstab chemisch in Form von Wasserstoff oder grünem Methan zu speichern und so den fluktuierenden Ausgleich sicherzustellen“, erläutert Maurice Walter, Verkauf/Leiter Service bei Hartmann Valves. Oder anders ausgedrückt: Wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint, gleicht Gas die Schwankungen der Erneuerbaren Energien aus. „Erdgasspeicher sorgen für die stabile Verfügbarkeit und flexible Einsetzbarkeit des Energieträgers“, betont Astora.
Im Sommer Gas einspeichern
Hierzu liefert beispielsweise der deutsche Speicherbetrieb Wolfersberg einen wichtigen Beitrag. In den Sommermonaten wird in der oberbayerischen Lagerstätte überschüssiges importiertes Gas eingespeichert und im Winter wieder in das Versorgungsnetz abgegeben. Wolfersberg verfügt über eine maximale Einspeicherleistung von 140.000 Nm³/h, eine Ausspeicherleistung von maximal 240.000 Nm³/H und eine Arbeitsgaskapazität von 365.000.000 Nm³. Kapazitäten, die die Metropole München tatkräftig bei der Energieversorgung unterstützen.
Da der Erdgasspeicher Wolfersberg bereits seit1973 in Betrieb ist, werden regelmäßigalte Absperrarmaturen ausgetauscht um ein äußerst hohes Sicherheitsniveau und eine maximale Verfügbarkeit zu gewährleisten. . Hartmann Valves entwickelte hierzu besonders kompakte Twin Ball Valves, die nicht nur extrem gasdicht sind, sondern auch Platzprobleme lösen. Sie erfüllen für den Betrieb eine wichtige Aufgabe: „Wir müssen jeden Bereich der Anlagen, an dem wir Reparatur- oder Instandhaltungsarbeiten ausführen, abtrennen können. Über zwei Absperrarmaturen als Sperrstrecke mit Zwischenentspannung können wir 100-prozentig ausschließen, dass Gas in den Arbeitsbereich strömt“, sagt DEA-Betriebsleiter Markus Schuster.
Sperrstrecken problemlos erneuern
Die meisten der installierten Hartmann-Kugelhähne sind Single Ball Valves mit einer Kugel. Bei besonders hohen Sicherheitsanforderungen wurden zudem rund 40 Kugelhähne vom Typ TBV (Twin Ball Valve) eingesetzt. Sie bieten eine doppelte Leitungsabsperrung mit zwei vollständig voneinander unabhängigen Abschlusssystemen in einem Gehäuse. Das 0-Blasen-dichte System schafft mit wenig Aufwand zweifache Sicherheit. „Und es spart Platz“, so das Unternehmen.
Eine besonders kompakte Sonderlösung des TBV entstand, als die Erneuerung einer alten Sperrstrecke aus einem eingeschweißten und einem geflanschten Kugelhahn an der Haupteinpressleitung anstand. Der Austausch der eingeschweißten Armatur hätte einen längeren Stillstand bedeutet. Daher entwickelte Hartmann Valves eine TBV-Variante DN 250 PN 250 mit der gleichen Baulänge der zuvor eingesetzten Standardarmatur. Nach der Erprobung des ersten, extra-kompakten TBV-Kugelhahns wurden ähnliche, passgenaue Ausführungen auch im Bereich der Gastrocknung eingesetzt. Vorteilhaft war die extreme Verkürzung des TBV-Systems.
Zwei Dichtungen in Flussrichtung
Eine weitere Spezialausführung ist für die Saugleitungen bestimmt. Selbst die kompaktesten TBVs waren zu groß. Hartmann nutzte daher ein Double Piston-System, bei dem die Armatur doppelt abgedichtet ist. Das System arbeitet mit zwei Dichtungen in Flussrichtung: eine eintritts-, die andere austrittsseitig. So erfüllt es die Forderung nach einer doppelten Barriere mit der Möglichkeit zur Druckentlastung zwischen den Barrieren.
Heute befinden sich in dem Speicherbetrieb Wolfersberg insgesamt 800 Kugelhähne von Hartmann Valves – verteilt auf diverse Anlagen. Zehn Förderstellen werden hier betrieben, außerdem Gastrocknungsanlagen, Anlagen zur Verdichtung und Entspannung sowie zur Temperierung des Gases. Der Porenspeicher ist mit 2.900 bis 3.000 Meter Tiefe europaweit der tiefste Gasspeicher.
15 Kavernen in Jemgum
Die Anlage von Wolfersberg gehört zu den betagten, aber gut funktionierenden Gasspeichern. Der erhöhte Bedarf an Gas macht jedoch weitere Anlagen notwendig. Wie beispielsweise im deutschen Jemgum, wo 2013 mit der Gasbefüllung des Speichers begonnen wurde. Insgesamt wollen EWE und Astora in den nächsten Jahren 33 Kavernen im Salzstock Jemgum errichten. EWE plant, 15 Kavernen mit einem Volumen von jeweils bis zu700.000 Kubikmeter zu bauen. Astora wird zunächst 18 Kavernen mit einem geometrischen Volumen von bis zu 750.000 Kubikmetern realisieren.
„Das vermarktbare Arbeitsgasvolumen beträgt ca. 4,1 TWh. Die Einspeicherleistung beläuft sich auf 2,3 GW (= 55 GWh/Tag) und die Ausspeicherleistung 2,875 GW (= 69 GWh/Tag)“, berichtet Ralf Riekenberg (EWE), Projektleiter und Abteilungsleiter Obertagetechnik beim GasspeicherJemgum. Das bei Jemgum gelagerte Erdgas ist insbesondere für den deutschen und den nordwesteuropäischen Markt bestimmt.
Hohe Drücke und Druckunterschiede
Die Wahl fiel auf das Areal von Jemgum, weil es durch die unterirdischen Salzstöcke für die Speicherung von Erdgas besonders gut geeignet ist. Die entstehenden Kavernenspeicher sind riesige Hohlräume in Salzstöcken, die durch das Ausspülen mit Wasser gebildet werden. Tief unter der Erdoberfläche lagert das Gas sicher in der Salzformation. Der Vorteil von Salzwänden: Sie schließen besonders dicht ab. „Kavernenspeicher eignen sich vor allem für das schnelle Ein- und Ausspeichern von Erdgas. Dadurch lassen sich die tageszeitlich unterschiedlichen Bedarfsschwankungen optimal ausgleichen“, erklären die Projektpartner EWE und Astora.
Den reibungslosen Betrieb bei Jemgum sichern die unverzichtbaren Armaturen. „Sie werden bei uns zur Druckregelung, Druckabsicherung und Fahrwegssteuerung eingesetzt“, erläutert Projektleiter Riekenberg. Dabei sind die vornehmlich aus Stahl gefertigten Armaturen „in den meisten Fällen hohen Drücken und hohen Druckunterschieden ausgesetzt.“ Die Druckbereiche liegen zwischen 40 und 170 bar, die Temperaturbereichezwischen -20 und 150 °C und die Fördermenge zwischen 20.000 m³/h und 250.000 m³/h. Bei der Gasspeicheranlage sind die Armaturen den Medien Glykol zur Trocknung des Erdgases und Wasser zur Vorwärmung ausgesetzt. Herausforderungen, die es für Sicherheits-, Regel- und Absperrventile zu meistern gilt.
Gas wird komprimiert
Und so funktioniert der Gasspeicher in Jemgum: Das in der Kaverne einzuspeichernde Erdgaswird über das Transportleitungsnetz zur Speicheranlage geleitet. Bei der Einlagerung wird mittels Verdichtern das Gas komprimiert, auf einen Druck von maximal bis zu 220 bar gebracht und in die Kavernen gedrückt. „Vom Druck angetrieben, passiert das Erdgas den Kavernenkopf, das Herzstück eines jeden Erdgasspeichers“, erläutern die Projektpartner EWE und Astora. Durch den Kavernenkopf wird das Erdgas schließlich in der Kaverne eingespeichert und bei Bedarf auch wieder ausgespeichert.
Bis zu 150.000 m³ Erdgas kann aus einer Kaverne stündlich entnommen werden. Für den Transport wird der Druck des Erdgases in der Kaverne an den Druck in den Leitungen angepasst. „Dabei kühlt das Erdgas so stark ab, dass es vorgewärmt werden muss“, so die Jemgum-Betreiber. Denn während der zum Teil monatelangen Lagerung nimmt das Erdgas durch den Kontakt mit der restlichen Sole am Kavernenboden Wasserdampf auf. Und damit sich kein Kondenswasser in den Leitungen bildet, wird das Erdgas zusätzlich getrocknet.
Hohe Strömungsgeschwindigkeiten
Gasspeicher fordern die Komponenten heraus – und das nicht nur in Bezug auf die sichere Absperrung des Mediums Gas an sich. Gerade beim Öffnen und Schließen von Absperrarmaturen kommt es zudem zu hohen Strömungsgeschwindigkeiten. Die im Medium mitgeführten Verunreinigungen treffen mit extremer Geschwindigkeit auf den Dichtungsbereich der Armatur. Weichdichtende Systeme werden hierbei schnell beschädigt und undicht. „Ein rein metallisches Dichtsystem macht die Armaturen robuster und somit zuverlässiger und langlebiger“, sagt Maurice Walter, Verkauf/Leiter Service von Hartmann Valves. Die metallische Abdichtung zwischen Kugel und Sitzringsei beständiger als weichdichtende Systeme – speziell bei Verunreinigungen im Medienstrom.
Wichtig sind eine störungsfreie Verfügbarkeit und ein sicherer Abschluss über mehrere Jahre. Die Armaturen müssten daher nicht nur gasdicht und zuverlässig, sondern auch in Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit wartungsarm und langlebig sein, so Walter weiter. Auch bei der Materialauswahl und -kombination seien diese Aspekte zu berücksichtigen, um eine lange Gasdichtheit zu gewährleisten.
Korrosive Belastung und Bespannfunktion
Die Solanlage zur Errichtung eines Gaskavernenspeichers in Jemgumwurdemit Kugelhähnen DN 200 und DN 600 von Hartmann Valves ausgestattet. Die Solartransportleitung erhielt Kugelhähne mit den Nennweiten DN 500 und DN 900. Der Einsatz in der Solanlage und der Transportleitung stellt aufgrund der korrosiven Belastung durch die gesättigte Salzlösung besonders hohe Anforderungen an die Armaturen. Um eine maximale Lebensdauer zu gewährleisten, verfügen die Spezialarmaturen neben dem rein metallischen Dichtsystem über eine zusätzliche Kunststoffinnenbeschichtung.
Für weitereKugelhähne in der Gasanlage wurde eine innovative Bespannfunktion entwickelt. Die Hauptgasleitung kann so bei vollem Differenzdruck geöffnet werden. In Drosselstellung wird der Kugelhahn für die Bespannung genutzt und im Anschluss steht wieder der volle Leitungsquerschnitt zur Verfügung. Die vereinfachte Fahrweise der Absperrarmaturen erspart aufwendige Umfahrungsleitungen.
Kapazitätserweiterungen
Die fortschreitende Nutzung Erneuerbarer Energien macht weitere Speicherkapazitäten notwendig. Zehn Jahre nach seiner Inbetriebnahme soll der österreichische Erdgasspeicher Haidach mit einer weiteren Anschlussleitung besser in den deutschen Energiemarkt eingebunden werden. Die geplante Pipeline im Raum Burghausen/Überackern wird den Speicher über die Monaco-Erdgasleitung mit dem deutschen Fernleitungsnetz verbinden. „Da die Kapazitäten des bislang angeschlossenen Transportnetzes bereits ausgelastet sind, ist die zusätzliche Anbindung eine wichtige Investition für die bedarfsgerechte Erdgasversorgung in Süddeutschland“, erklärt Astora, ein Unternehmen der Wingas-Gruppe.
Die zusätzlichen Transportkapazitäten für die Ein- und Auslagerung von Erdgas im Speicher Haidach werden ab Anfang 2020 bereitstehen, kündigt Astora an. Insgesamt investieren die Anteilseigner des Speichers Haidach, einer der größten Erdgasspeicher Mitteleuropas, rund sieben Millionen Euro. Der Speicher Haidach, rund 30 Kilometer nordöstlich von Salzburg gelegen, ist ein Gemeinschaftsprojekt von RAG, Gazprom und Wingas.
Auf Expansionskurs ist ebenfalls der VNG-Gasspeicher in Bad Lauchstädt, Sachsen-Anhalt. Bis 2017 wird eine weitere Kaverne mit etwa 65 Mio. m³ geplantem Arbeitsgasvolumen errichtet.
„Katharina“ ist gestartet
2017 nahmen außerdem die ersten vier Kavernen des Untergrundspeichers „Katharina“ im Bundesland Sachsen-Anhalt ihren Betrieb auf. Acht weitere Kavernen sollen folgen. 600 Millionen Kubikmeter würde die Speicherkapazität betragen bei dem Projekt, in das Gazprom und Leipziger Verbundnetz Gas 400 Millionen Euro investieren. Für den neuen Speicher fertigt ein deutscher Armaturenhersteller insgesamt 770 Kugelhähne sowie 15 Isolierstücke: Das Gesamtvolumen liegt hier bei stattlichen vier Millionen Euro.
Und so sieht die Zwischenbilanz aus: Derzeit können die deutschen Speicheranlagen insgesamt knapp 24 Milliarden Kubikmeter Erdgas aufzunehmen, womit rund ein Viertel des Jahresverbrauchs Deutschlands zu decken wäre. Allerdings werden Kapazitäten auch an beispielsweise niederländische und französische Händler vermietet. Der Bedarf steigt also und beschert Armaturenherstellern lukrative Aufträge.

Verdichterhalle, Bad Lauchstädt, VNG

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